Darum gehts
- Schweizer Bevölkerung wächst auf 10 Millionen bis 2040 durch Zuwanderung
- Migration entlastet AHV, könnte aber nicht ausreichen
- Zugewanderte leisteten 2020 40 % der AHV-Einzahlungen, bezogen 30 % der Leistungen
Die 10-Millionen-Schweiz kommt bereits in rund 15 Jahren. So sagt es jedenfalls der Bund in seiner am Dienstag veröffentlichten Prognose voraus. Hauptgrund: die weiterhin hoch bleibende Zuwanderung.
Die SVP versucht das Szenario zwar mit einer Volksinitiative zu verhindern. Der Bundesrat und die restlichen nationalen Parteien wollen zumindest die Personenfreizügigkeit mit der EU bewahren. So oder so: Die zunehmende Migration bringt zumindest in einem Punkt ihre Vorteile. Ohne sie droht nämlich der Renten-Kollaps.
AHV-Studie des Bundes setzt auf die Migration
Bereits 2023 zeigte eine Studie des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) auf, dass die AHV besonders durch Migrantinnen und Migranten aus dem europäischen Raum stark entlastet werden könnte. Denn laut Berechnungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) würde die Schweiz ohne Zuwanderung hoffnungslos überaltern. Der Altersquotient, der heute bei 32 liegt, stiege bis im Jahr 2055 auf 71. Das heisst, es kämen 71 Rentnerinnen und Rentner auf 100 Erwerbstätige.
Laut den neusten Modellen des Bundes kommt es bereits 2035 zur demografischen Wende: Ab dann sterben mehr Menschen in der Schweiz als geboren werden. Gleichzeitig werde ab dann die Schweizer Wirtschaft das Zünglein an der Waage werden. Denn gibt es mehr Arbeit, wandern auch mehr ein.
Schweizer leben doch weniger lange
Vor fünf Jahren, bei der letzten Prognose, gewichtete das BFS diese Faktoren noch leicht anders. Die Zuwanderung wurde damals noch tiefer bemessen. Gleichzeitig war der Bund der Ansicht, dass die Schweizerinnen und Schweizer etwas mehr Kinder kriegen und etwas länger leben.
Dadurch sei das Wachstum in den neuen Szenarien auch nicht ganz so steil wie 2020, teilt das BFS mit. Statt 2040 würde die offizielle 10-Millionen-Marke erst im Jahr darauf geknackt. «Insgesamt liegen die Ergebnisse der beiden Serien nah beieinander», schreibt das Bundesamt.
Für die AHV hat dies entscheidenden Einfluss. Trifft die neuste Prognose ein, steigt der Altersquotient bis 2055 auf nur 45. «Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Zuwanderung in der Tat für die Finanzierung der AHV wichtig sein wird», so das BFS.
Ausbezahlte AHV-Leistungen bleiben noch lange gleich
Das Sozialversicherungsamt des Bundes kann dies in seiner Studie auch mit konkreten Zahlen unterlegen: Bereits im Jahr 2020 leisteten Zugewanderte 40 Prozent der Einzahlungen, bezogen aber nur 30 Prozent der Leistungen. Und auch bei der Invalidenversicherung (IV) und beim Erwerbsersatz zeigt sich ein ähnliches Bild.
Doch reicht das tatsächlich, um die Schweizer Renten zu retten? Da ist sich das BSV doch nicht so sicher, wie es auf Anfrage von Blick tönt. Zumindest bei der IV, die genauso wie die AHV unter Druck ist, könne die Zuwanderung zu einer raschen Entlastung führen.
Bei der AHV habe sie in den nächsten drei Jahrzehnten jedoch nur einen geringen Effekt. Denn nun kommen die geburtenstärksten Babyboom-Jahrgänge ins Rentenalter. Auch die erwerbstätigen Migrantinnen und Migranten könnten diesen Überschuss an Bezügerinnen und Bezüger nur bedingt auffangen, so der Bund.
In den nächsten Jahren ist die Zuwanderung unter Druck
Der Druck auf die AHV würde also erst später sinken – sofern die Schweizer Wirtschaft gesund und die Zuwanderung hoch bleibt. Der Bund geht in seiner AHV-Studie zwar bis 2070 von beidem aus. «Je weiter in die Zukunft die Berechnungen gehen, desto unsicherer werden sie», mahnt das BSV jedoch.
Die Unsicherheit hat vor allem auch mit den politischen Entwicklungen der nächsten Jahre zu tun. Die eine grosse Frage: Wie entscheidet sich das Stimmvolk bei der 10-Millionen-Initiative der SVP? Diese will als Massnahme gegen das Bevölkerungswachstum unter anderem die Personenfreizügigkeit künden.
Die andere: Wie gross wird der Widerstand gegen das neue EU-Vertragspaket sein? Beide Entscheide könnten je nachdem die Hoffnung auf einen Renten-Dämpfer rasch zerschlagen.