Alle gegen die SVP
Die Initiative zur «10-Millionen-Schweiz» kurz erklärt

Die SVP will die «10-Millionen-Schweiz» verhindern – und stösst auf breite Ablehnung. Neben allen anderen Parteien warnt auch der Bundesrat vor den negativen Folgen für den Schweizer Wohlstand und die bilateralen Verträge. So geht es nun weiter.
Publiziert: 21.03.2025 um 18:52 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2025 um 20:47 Uhr
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Eine SVP-Initiative will die «10-Millionen-Schweiz» verhindern.
Foto: Keystone

Darum gehts

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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Das Parlament kann bald über die «10-Millionen-Schweiz» befinden. Bundesrat Beat Jans (60) präsentierte am Freitag die Botschaft des Bundesrats zur SVP-Volksinitiative vor den Medien.

«Der Bundesrat will die Zuwanderung steuern, aber nicht die Schweiz international isolieren», sagte Jans vor den Medien. Und machte klar: Parlament und Bevölkerung sollen die Initiative bitte alternativlos ablehnen.

Worum geht es?

Die SVP will mit ihrer Vorlage verhindern, dass die ständige Wohnbevölkerung vor 2050 auf über zehn Millionen Menschen steigt. Zur Not müssten dafür verschiedene Massnahmen ergriffen werden – als letzte die Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU.

Denn für die Partei ist klar: Besonders die Zuwanderung ist für die Bevölkerungsexplosion verantwortlich. Und damit auch Probleme wie Wohnungsnot, steigende Gesundheits- und Sozialkosten oder Staus auf den Strassen. Zudem argumentiert die SVP, dass die Personenfreizügigkeit bereits nach Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative vor elf Jahren hätte fallen müssen. 

Was würde ein Ja bedeuten?

Fällt die Personenfreizügigkeit, würden wohl alle anderen bilateralen Verträge folgen. Zudem ist auch die Kündigung internationaler Übereinkommen vorgesehen. Heisst: die Menschenrechtskonvention, das Genfer Flüchtlingsabkommen und weitere von der Schweiz unterzeichnete Dokumente.

Was sagen Gegnerinnen und Gegner?

Das SVP-Begehren fällt im restlichen politischen Spektrum durch. Von den Grünen bis zur FDP sagen die Parteien Nein.

Die FDP lancierte ihre Gegenkampagne am Donnerstag. Genauso wie der Wirtschaftsverband Economiesuisse warnt sie davor, den bilateralen Weg aufzugeben. Die Initiative verschärfe den Fachkräftemangel.

Auch zahlreiche linke Organisationen wehren sich. «Unter dem Vorwand der Nachhaltigkeit wird der soziale Schutz abgebaut und Lohndumping gefördert», schreibt etwa die Gewerkschaft Unia. Und die Schweizerische Flüchtlingshilfe nennt die Vorlage einen «Frontalangriff». 

Wie reagiert der Bundesrat?

«Die Initiative trübt unsere Zukunftsperspektiven», warnte Asylminister Beat Jans an der Medienkonferenz. Bereits vergangenen Sommer hatte die Landesregierung mitgeteilt, dass sie nichts von der Initiative wissen will. Sie schlägt weder einen direkten noch einen indirekten Gegenvorschlag vor.

Bei Annahme fiele die Schweiz unter Umständen sowohl aus der europäischen Fahndungsdatenbank als auch aus dem Schengen- und Dublin-System. Laut Jans und seinen Regierungskollegen könnte die Initiative deshalb genau zum umgekehrten Ergebnis führen als beabsichtigt: einer Zunahme der irregulären Migration sowie einem Anstieg bei den Asylsuchenden in der Schweiz.

Wie will die Regierung entgegentreten?

Um dem SVP-Begehren den Wind aus den Segeln zu nehmen, haben Jans und seine Regierungskollegen Massnahmen vorbereitet. So sollen etwa Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs zugewandert sind, sowie ältere Stellensuchende stärker in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Auch beim knappen Wohnungsangebot will die Regierung ansetzen. Zudem sei das Staatssekretariat für Migration bereits daran, unbegründete Asylgesuche zu drosseln und Missbrauch zu verhindern.

Und zu guter Letzt könne der Bund bei grossen Zuwanderungsströmen tatsächlich erstmals die Schutzklausel aktivieren. Diese sei im neuen EU-Vertragspaket als einseitige Schutzmassnahme vorhanden, versichert Jans.

Wann kommt die Vorlage vors Volk?

Zuerst muss die Initiative durch das Parlament – und könnte doch noch einen Gegenvorschlag erhalten. Denn im Bundeshaus werden bereits zahlreiche Ideen herumgereicht, um die Kündigung der Personenfreizügigkeit zu verhindern. Wie die «NZZ» berichtete, stehe etwa eine Zuwanderungsabgabe im Raum, bei der Neuzuzüger einen Teil ihres Lohns abgeben müssten. Alternativ könnten die Bedingungen mit der EU bei der Schutzklausel so ausgearbeitet werden, dass sie als Gegenvorschlag taugt.

Ein Gegenentwurf aus dem Parlament scheint aktuell jedoch wenig realistisch. Nur die Mitte fordert einen solchen noch öffentlich, was aber zumindest die Verhandlungen verzögern könnte. Werden sich National- und Ständerat einig, kommt das Anliegen frühstens vier Monate danach an die Urne.

Was bedeutet die Initiative für das neue EU-Vertragspaket?

«Eine Annahme der Initiative würde einen Abschluss des Abkommens im Kern gefährden», sagte Jans am Freitag. Doch auch wenn der SVP-Vorschlag durchkommt, sei das EU-Paket nicht zwingend vom Tisch. «Will die EU weiterhin ratifizieren, können wir die Verträge abschliessen», so Jans. Sie würde dafür aber weitere Gegenleistungen einfordern.

Laut Jans ist es möglich, die EU-Verträge vor der Initiative vors Volk zu bringen. Nämlich dann, wenn National- und Ständerat sie in den nächsten beiden Sessionen abhandeln würden. «Das Parlament hat die Reihenfolge selbst in der Hand», sagte Jans.

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