1,35 Millionen Schulden: Bund kämpft gegen Zechpreller!
Dreiste Diplomaten zahlen Rechnungen von Gewerblern nicht

Schweizer Firmen sind oft machtlos, wenn ausländische Diplomaten ihre Rechnungen nicht bezahlen. Das zeigt ein Fall von Zechprellerei aus Bern. Diplomaten stehen in der Schweiz mit über 1,3 Millionen Franken in der Kreide – mindestens.
Publiziert: 06.12.2024 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2024 um 10:11 Uhr
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Das ist ärgerlich: Ein Caterer wartet bis heute darauf, dass ein ausländischer Diplomat seine Rechnung bezahlt.
Foto: Shutterstock (Symbolbild)

Auf einen Blick

  • Diplomaten nutzen Immunität, um Rechnungen nicht zu bezahlen
  • Inkassofirmen und Behörden helfen, bleiben aber oft machtlos
  • Diplomaten schulden Schweizer Firmen total 1,35 Millionen Franken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Das Catering fürs Fest, eine dringende Reparatur in der Wohnung oder eine schöne Blumendeko – all das muss bezahlt werden. Doch wenn der Kunde ein Diplomat ist, sieht die Realität des Öftern anders aus. Rechnungen bleiben unbezahlt, Gläubiger stehen machtlos da.

Der Grund? Abgesandte anderer Staaten geniessen aufgrund völkerrechtlicher Verträge eine Sonderstellung. Und dies wissen gewisse Diplomaten sich zunutze zu machen.

Wegen der diplomatischen Immunität sind private Gläubiger auf verlorenem Posten, wenn eine Botschafterin oder ein Konsul sich weigert, eine Rechnung zu begleichen. Selbst den Behörden sind oft die Hände gebunden.

Zechpreller mit Diplomatenpass sind ein Problem. Das zeigen neue Zahlen, die Blick vorliegen: Diplomaten anderer Staaten stehen bei hiesigen Firmen mit total 1,35 Millionen Franken in der Kreide. Und das sind nur jene Schulden, die dem Eidgenössischen Aussendepartement (EDA) von Bundesrat Ignazio Cassis (63) offiziell gemeldet worden sind. Die Schuldner stammen meist aus dem Umfeld von ausländischen Vertretungen in Bern.

Ein Berner Caterer verzweifelt

Welche Staaten unangenehm auffallen und um welche Summen es im Einzelfall geht, darüber schweigt das EDA. Man gibt sich diplomatisch: «Die Schuldensumme variiert vom dreistelligen in den sechsstelligen Bereich», heisst es nur. Die Dunkelziffer dürfte erheblich sein, da viele offene Rechnungen dem EDA gar nicht gemeldet werden, wie aus der Inkassobranche zu hören ist.

Blick kennt zum Beispiel den Fall eines Berner Caterers. Er lieferte Häppchen und Getränke für die Nationalfeier einer Botschaft – seinen Namen und das betroffene Land will er nicht öffentlich nennen. Alles sei zur vollen Zufriedenheit gelaufen. Doch seine 5000 Franken sah der Caterer nie.

Mahnungen blieben unbeantwortet, bei Telefonaten wurde er abgewimmelt. «Lass es lieber», riet ihm schliesslich sein Treuhänder. Eine Betreibung? Keine Option. Auf eine Meldung an die Behörden verzichtete der Caterer. Nach all dem Ärger habe er einen Schlussstrich ziehen wollen.

Bereits 2020 machte Blick einen anderen Fall publik: Während des Weltwirtschaftsforums logierte die kongolesische Delegation in Arosa – und prellte in gleich zwei Hotels die Zeche.

Säumige Diplomaten beschäftigen Inkassofirma

Das Problem: Schulden von Diplomaten können oft nicht einfach über das Betreibungsamt eingetrieben werden. Die Immunität schützt sie in vielen Fällen vor Zahlungsbefehlen oder Pfändungen.

Rémy Küng (50) führt in zweiter Generation eine Berner Inkassofirma. «Wir haben immer wieder Fälle, in denen wir es mit säumigen Diplomaten zu tun haben», sagt er. In solchen sei eine Frage zentral: «Ist eine Schuld entstanden, weil der Angestellte einer Botschaft eine hoheitliche Aufgabe erledigt hat?» Damit sind Tätigkeiten gemeint, die ein Staat zu erfüllen hat.

Küng erklärt dies mit einem Beispiel. «Kauft der Botschaftsangestellte ein Blumenarrangement, um mit seiner Frau den Hochzeitstag zu feiern, ist dies privat und keine hoheitliche Aufgabe», so Küng. Somit könne man grundsätzlich normal betreiben.

Doch: «Wenn der Botschaftsangestellte die Blumen für den Nationalfeiertag seines Landes bestellt, zu dem auch offizielle Gäste aus der Schweiz eingeladen sind, dürfte es sich um eine hoheitliche Aufgabe handeln.» Eine ordentliche Betreibung sei dann unmöglich.

In der Praxis sei die Abgrenzung oft schwierig. «Es lohnt sich, bei der jeweiligen Vertretung hartnäckig nachzufragen und auf der Zahlung zu bestehen», berichtet Küng aus Erfahrung. Fruchtet dies nicht, bleibt nur die Möglichkeit, sich mit offenen Rechnungen ans Aussendepartement zu wenden.

Reklamation bei Aussenministerien

Und dann? «In der Regel wird die ausländische Vertretung auf den diplomatischen Kanälen aufgefordert, für die Begleichung der Schuld zu sorgen», erklärt EDA-Sprecher Jonas Montani.

Im Departement Cassis gibt man sich kämpferisch: Grundsätzlich seien auch Personen, «die Vorrechte und Immunitäten geniessen, verpflichtet, die Gesetze und Rechtsvorschriften des Empfangsstaats zu beachten». In gravierenden Fällen mache die Schweizer Vertretung gar eine offizielle Demarche beim Aussenministerium des zuständigen Staates.

Nur: Rasch sind auch dem EDA die Hände gebunden. Allein wegen unbezahlter Rechnungen dürfte man kaum einen Eklat mit einem anderen Land provozieren.

Wie machtlos der Bund am Ende gegen die Zechpreller ist, zeigen die Zahlen. So konnten in den vergangenen vier Jahren die Diplomaten-Schulden unter dem Strich nur um wenige Zehntausend Franken reduziert werden.

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