Finale im Europa-Dossier
EU-Chefin von der Leyen kurz vor Besuch in der Schweiz

Noch gibt es keinen Durchbruch im Europa-Dossier. Doch wenn der Bundesrat am 13. Dezember grünes Licht gibt, dürfte EU-Chefin Ursula von der Leyen am 20. Dezember nach Bern kommen.
Publiziert: 00:24 Uhr
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Läuft alles nach Plan, dann besiegeln Bundespräsidentin Viola Amherd (l.) und Ursula von der Leyen am 20. Dezember in Bern die Verhandlungen.
Foto: ALESSANDRO DELLA VALLE
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Der Europa-Endspurt könnte mit Walliser Wein begonnen haben und mit Mineralwasser oder einem alkoholfreien Drink enden. Doch der Reihe nach.

Am Mittwochabend kamen 18 Leute aus der Schweiz und der EU auf dem Landgut Lohn in Wabern bei Bern zusammen – beide Delegationen stellten neun Personen. Die Schweizer Seite wurde von Aussenminister Ignazio Cassis (63) angeführt, die EU-Seite von Kommissar Maros Sefcovic (58). Es gab Fondue und einen Johannisberg AOC Vin d'oeuvre aus dem Wallis, Jahrgang 2022. Neben Cassis bestand die Schweizer Delegation aus EDA-Staatssekretär Alexandre Fasel (63), Seco-Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (59), SEM-Staatssekretärin Christine Schraner Burgener (61) sowie dem Schweizer Chefunterhändler Patric Franzen. Mit dabei waren auch der ehemalige SEM-Direktor Mario Gattiker (68), Vizekanzler Andrea Arcidiacono (58), Cassis’ Kommunikationschef Nicolas Bideau (55) und Cassis’ persönlicher Mitarbeiter Matthias Leitner.

Wenn 18 Leute zusammenkommen, dann nicht nur, um Höflichkeiten auszutauschen. Die Atmosphäre sei sehr angenehm gewesen, ist von Insidern zu hören – auch wenn noch nicht alle Baustellen im EU-Dossier geklärt sind.

«Politische Standortbestimmung»

Der Austausch diente einer «politischen Standortbestimmung», wie das Aussendepartement später mitteilte. Es ging darum, die nächsten Schritte zu besprechen. Gemeinsames Ziel: die Verhandlungen «idealerweise bis Ende des Jahres abzuschliessen».

Wie Blick weiss, ist folgender Fahrplan vorgesehen: Am Freitag in einer Woche, am 13. Dezember, berät der Bundesrat erneut über das EU-Dossier. Gibt er dann grünes Licht, gibt es am Freitag vor Weihnachten, am 20. Dezember, Blitzlichtgewitter: Dann kommt die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (66), persönlich nach Bern, um das symbolische Ende der Verhandlungen zu besiegeln. Und damit kommt Mineralwasser ohne Kohlensäure oder ein alkoholfreier Drink ins Spiel: Anders als die katholische Walliserin Amherd trinkt die protestantische von der Leyen keinen Alkohol oder stösst höchstens symbolisch an.

In trockenen Tüchern ist aber noch gar nichts. «Es bleibt noch viel zu tun, aber wir werden in den nächsten Wochen weiterhin hart arbeiten», teilte ein Sprecher der EU-Kommission am Donnerstag mit. Offiziell bestätigen möchte die Reisepläne niemand; aus Brüssel heisst es, von der Leyen kommuniziere ihre Reisen immer nur eine Woche im Voraus. Ein Dementi gibt es weder aus Bern noch aus Brüssel.

Italien als stabiler Partner

Auf einer Reise in Rom liess sich Aussenminister Ignazio Cassis nicht in die Karten blicken. Erfreut nahm er jedoch zur Kenntnis, was Aussenminister Antonio Tajani (71) zu den Medien sagte: «Italien wird alles in seiner Macht Stehende tun, um die EU und die Schweiz dabei zu unterstützen, so schnell wie möglich eine Einigung zu finden.»

Aus Sicht der Schweiz ist Rom aktuell der verlässlichste Partner. Bundesrat Albert Rösti sagte am Rande der Weltklimakonferenz zu Blick: «Die einzige stabile Regierung um uns herum ist im Moment Italien.» Berlin, Paris und Wien sind aktuell mit sich selbst beschäftigt – umso mehr fällt Italien ins Gewicht. Und eben der gute Draht zwischen Viola Amherd und Ursula von der Leyen, die sich kennenlernten, als von der Leyen noch Verteidigungsministerin in Berlin war; beide gehören einer christdemokratisch geprägten Partei an.

Drohkulisse 10-Millionen-Schweiz

Klar ist: Bis zum 20. Dezember ist noch viel zu tun und nicht alle Baustellen lassen sich bis dahin klären. Bundesrat und EU sollen jedoch der Ansicht sein, dass ausreichend verhandelt wurde, um nun einen positiven Abschluss zu markieren: «Auch wenn nicht jeder Punkt des Verhandlungsmandats erfüllt ist, ist es möglich, zu sagen: Wir haben einen Deal», sagt ein Insider. Sowohl für Bern als auch für Brüssel sei klar: «Wir haben genug verhandelt, der Rest muss innenpolitisch geklärt werden.»

Beiden Seiten sei bewusst, dass aufgrund der bürgerlichen Mehrheit im Schweizer Parlament und mit der 10-Millionen-Schweiz-Initiative der SVP das sich anbahnende Adventsmärchen zwischen Amherd und von der Leyen schnell wieder getrübt werden dürfte. Dass von der Leyen kurz vor Weihnachten nach Bern reisen wolle, sei eine Geste der Wertschätzung für die Schweiz, so der Insider: «Die Schweiz muss nicht in Brüssel antraben, sondern die EU ist eine Freundin der Schweiz, die gerne nach Bern kommt.»

Klar ist aber auch: Brüssel wolle wie die Schweiz keinen Deal um jeden Preis – auch nicht beim Thema Schutzklausel. «Die EU weiss, dass auch die SVP-Landwirte am Ende einen Schlachthof brauchen und kein Schweizer mehr auf einem Schlachthof arbeiten will», sagt ein Schweizer Parlamentarier.

Für Viola Amherd wäre es ein grosser Erfolg, zum Ende ihres Präsidialjahres einen Teilerfolg im EU-Poker einzufahren. Was danach passiert, steht ohnehin in den Sternen: Ob Parlament und Volk den EU-Deal billigen oder nicht, wäre eine Frage an die Sterndeuter zu Bethlehem.

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