Der Eurovision Song Contest 2024 könnte eigentlich im Zeichen von Freude, Freundschaft, Music und Nemo stehen. Allerdings schwebt der wieder aufgeflammte Nahost-Konflikt über der eigentlich unpolitischen Veranstaltung.
Bei den Auftritten des israelischen Beitrages von Eden Golan (20) während der Generalprobe und dem Halbfinal wurde in der Halle gebuht. Die junge Sängerin musste sich an der Pressekonferenz kontroversen Fragen stellen, in Malmö kommt es immer wieder zu Protesten um die Teilnahme von Israel am ESC. Die EBU (European Broadcasting Union) mahnt zwar regelmässig, dass es sich beim ESC um eine unpolitische Veranstaltung handle – allerdings ohne Erfolg.
Stellungnahme zu Sendeunterbrechung
Denn das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Belgien (VRT) unterbrach gestern Donnerstag die Ausstrahlung des ESC-Halbfinales, als Eden Golan für ihren Song «Hurricane» die Bühne betrat, erschien ein Standbild. Darauf war auf Flämisch zu lesen: «Das ist eine Protestaktion der Mitarbeitenden. Wir verurteilen die Menschenrechtsverletzungen des Staates Israel. Darüber hinaus zerstört der Staat Israel die Pressefreiheit. Aus diesem Grund unterbrechen wir die Übertragung für einen Moment. #Waffenruhejetzt #stopgenozid»
Die Sendeanstalt rechtfertige den Entscheid am Tag nach dem Halbfinale mit folgender Mitteilung: «Wir verfolgen die Ereignisse im Nahen Osten seit Monaten mit purem Horror. Wir sind davon überzeugt, dass der Staat Israel Völkermord begeht. Darum ist es skandalös, dass eine israelische Kandidatin am Eurovision Song Contest teilnimmt.» Einfach nur zuschauen und nichts tun, sei nicht länger eine Option, heisst es weiter und dann richtet VRT harte Vorwürfe an die EBU: «Leider machte die EBU eine Teilnahme Israels möglich, darum entschieden wir uns, die Übertragung zu stoppen. Wir hoffen damit, ein Signal an die israelische Regierung zu senden, die Kämpfe und das Töten zu stoppen, internationale Beobachter und die Medien in Gaza einzulassen und sich für Verhandlungen zu öffnen.
Technologie gegen Buhrufe?
Es könnte sogar sein, dass diese Aktion dem belgischen ESC-Act Mustii (33) den Einzug ins Finale gekostet hat. Seinem Beitrag «Before the Party's Over» waren gute Chancen eingerechnet worden, sich zu qualifizieren. In der Top Ten fehlte der Belgier allerdings. Obwohl die EBU nicht offiziell Stellung bezog, wird auf Social Media gemutmasst, dass Belgien disqualifiziert wurde.
Ausserdem werfen Userinnen und User auf X der schwedischen Sendeanstalt SVT, die das TV-Signal an alle anderen Sender verteilt, vor, die Buh-Rufe gegen Eden Golan herausgefiltert zu haben. So schreibt eine Frau: «Eine kleine Erinnerung, dass der Eurovision Technologie gegen Buhrufe hat, die Publikums-Mikrofone herunterstellte und gefälschten Applaus für Israel einblendete.»
SVT reagierte auf die Anschuldigungen mit einem Statement: «Wie alle grossen TV-Produktionen mit Publikum, arbeiten auch wir mit Techniken, um den Sound für die TV-Zuschauenden auszugleichen.» Die EBU teilte bereits vorgängig mit, dass sie das Publikum nicht «zensiere» und die Buhrufe unter dem Jubel zu hören gewesen seien.
«Gezielte Kampagne gegen Künstler»
Seit Monaten fordern Palästina-Aktivisten die Organisatoren auf, Israel im Zuge des Krieges im Nahen Osten vom ESC zu verbannen. Die Israelin Eden Golan (20, «Hurricane») erhält sogar Morddrohungen. Deshalb ergriff Jean Philip De Tender, stellvertretender Generaldirektor der Europäischen Rundfunkunion (EBU), bereits vor Beginn des ESC das Wort und bezog Stellung. Bei der EBU verstehe man, dass sich Menschen an der Debatte beteiligen und «ihre tief empfundenen Ansichten zu diesem Thema zum Ausdruck bringen. Wir alle sind von den Bildern, den Geschichten und dem unbestreitbaren Schmerz der Menschen in Israel und im Gazastreifen betroffen», schrieb De Tender in Mitteilung.
Allerdings bezeichnete er die «gezielten Kampagnen in den sozialen Medien gegen einige unserer teilnehmenden Künstler» als «inakzeptabel und völlig unfair, da die Künstler keinen Einfluss auf diese Entscheidung haben». Der Beschluss, den israelischen Sender KAN am ESC teilnehmen zu lassen, liege allein in der Verantwortung der EBU und der Mitgliedsanstalten.