Er hat noch nicht einmal richtig angefangen, schon jetzt ist aber klar: Der Eurovision Song Contest 2024 in Malmö (Schweden) steht im Zeichen von Sicherheit und dem Nahostkonflikt. Bereits am heutigen Dienstagabend könnte ein erster Künstler auf der Bühne des grössten Musikwettbewerbs der Welt für einen Eklat sorgen.
Der Schwede Eric Saade (33) ist Teil der Eröffnungsnummer im ersten Halbfinal (21 Uhr, SRF zwei) und hat schon vor einigen Monaten die Teilnahme Israels am ESC kritisiert. Zeitgleich zu der überraschenden Ankündigung seiner Darbietung rechnete der Drittplatzierte von 2011 in Düsseldorf (D) mit den Organisatoren des ESC ab, der European Broadcasting Union. «Wie die EBU mit dem ESC umgeht, ist beschämend», schrieb der Musiker mit palästinensischen Wurzeln.
«Viele Einwohner bleiben aktuell lieber zu Hause»
«Sie lässt keine palästinensischen Symbole in der Arena zu, während Symbole, die irgendeine andere Ethnie in der Welt repräsentieren, willkommen sind.» Der Slogan des Wettbewerbs «United by Music», also «Vereint in der Musik», sei für ihn ein Witz. Darum sei es «wichtiger denn je, auf dieser Bühne präsent zu sein.» In einem späteren Beitrag stellte er klar, dass das Verbot von Fahnen von nicht-teilnehmenden Ländern schon länger bestehe und er dies respektiere. Er sei im Gespräch mit dem schwedischen Fernsehen und er sei auch beruhigt zu hören, dass Symbole verschiedener Herkunft nicht per se verboten seien.
Die Stadt Malmö erwartet in den nächsten Tagen zahlreiche Proteste mit Tausenden Teilnehmern. Sowohl Kundgebungen für Palästina als auch pro Israel wurden bewilligt. Am Freitag letzter Woche verbrannten zwei Menschen bei einer bewilligten Kundgebung einen Koran, auch Gegendemonstranten waren vor Ort. «Viele Einwohner bleiben aktuell lieber zu Hause, weil sie Angst vor Attacken haben», sagt ein Taxifahrer, der anonym bleiben will, zu Blick.
Sicherheitsaufgebot ist riesig
Das Sicherheitsaufgebot in der Stadt, die schon länger mit Bandenkriminalität zu kämpfen hat, ist riesig: Polizisten aus Dänemark und Norwegen wurden zur Unterstützung herbeigezogen, auch die Armee ist involviert. Im Euroclub, einer Art Eurovision-Disco für Fans, und dem Eurovision Village, einer Partyzone in einem Park, patrouillieren bewaffnete Sicherheitskräfte. Seit letztem Jahr gilt in Schweden die Terrorwarnstufe als «hoch», der ESC bringt mit den Hunderttausenden Besuchern eine weitere Herausforderung für die Sicherheit. Konkrete Drohungen gebe es nicht, betont die Polizei. Zudem warnt man vor der Verbreitung von Gerüchten und mahnt zum Faktencheck.
Das enorme Sicherheitsdispositiv zeigt sich auch bei der Eröffnungszeremonie am Sonntagabend, die im Gegensatz zu den Vorjahren sehr abgeschirmt durchgeführt wurde. Das Gebiet um das Kongresszentrum Malmö Live wurde grosszügig abgesichert. «Die Sicherheitsvorkehrungen hier sind krass», sagt auch die Schweizer ESC-Hoffnung Nemo (24). Die Teilnahme Israels und die damit verbundenen Diskussionen seien auch unter den diesjährigen ESC-Acts ein grosses Thema. «Es beschäftigt uns alle sehr», so Nemo. Dabei verweist das Bieler Gesangstalent auf das Statement, in dem Nemo mit Konkurrenten einen Waffenstillstand in Gaza fordert. «In einer politischen Welt kann man nicht unpolitisch sein», meint Nemo dazu.
Am Dienstag verhängten die Behörden ein Flugverbot über weite Teile von Malmö. Die Polizei will den Event grossflächig mit Drohnen und Kameras überwachen.
Organisatoren wollen unpolitischen Event
Besa (37, «Titan»), die Teilnehmerin Albaniens, sieht das anders. Sie will sich nicht politisch äussern. «Es steht mir nicht zu, zu urteilen, ob ein Land an dieser Art von Event teilnehmen darf oder nicht. Ich glaube nicht, dass die Künstler, die hier sind, etwas verbrochen haben.» Sie habe nicht genug Wissen, um solche Aussagen zu machen. «Ich wünschte, es gäbe nur Liebe und Frieden und dafür stehe ich.»
Die ESC-Organisatoren betonen weiterhin, dass es sich beim ESC um einen Wettbewerb zwischen den Rundfunkanstalten handelt und man so unpolitisch wie möglich sein möchte. So wie der Event 1956 in Lugano startete: um das vom Zweiten Weltkrieg zerrüttete Europa zu einen.
Wie reagiert das Hallenpublikum auf die Israelin?
Die grosse Unbekannte ist, wie das Publikum am Donnerstagabend reagieren wird, wenn die israelische Künstlerin Eden Golan (20) ihren Beitrag «Hurricane» im zweiten ESC-Halbfinal (21 Uhr, SRF zwei) singt. Erste kurze Vorschauclips zeigten eine sehr emotionale Inszenierung der Power-Ballade. Die Georgierin Nutsa Buzaladze (27, «Firefighter»), die auch am Donnerstag zu sehen ist, hat einen grossen Wunsch: «Wir sollten hier – ganz nach dem Motto – durch die Musik vereint sein. Und die Liebe sprechen lassen.»
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