Seitdem Nemo (25) vor drei Monaten den Eurovision Song Contest in Malmö gewonnen hat, steht das Leben des Musiktalents kopf. Nemo gibt nicht nur zahlreiche Konzerte in der Schweiz, sondern auch international. Wer wissen will, wie es der Persönlichkeit aus Biel BE geht, kann dies nur auf sozialen Medien erahnen. Medientermine gibt es nicht, einzig mit einem abgebrochenen Interview machte der ESC-Star in der letzten Zeit Schlagzeilen. Es scheint, als ginge es hinter den Kulissen bei Nemo drunter und drüber.
«Wir sind seit dem 11. Mai jeden Tag im Einsatz, praktisch rund um die Uhr», sagt Reto Lazzarotto (58), Nemos Manager. Über 30 Personen seien bei der Planung, Vorbereitung und Produktion für Nemo involviert. «Seit dem ESC-Sieg haben wir über hundert Konzert- und Showanfragen aus dem gesamten europäischen Raum bearbeitet und konnten inzwischen eine Europatournee 2025 in 17 Ländern und 26 Städten bestätigen.» Auch Interviewanfragen seien aus dem nationalen und internationalen Raum eingegangen. Lazzarotto: «Wie viele es genau waren, können wir nicht mehr sagen.»
Nemo gab seit ESC-Sieg in der Schweiz drei Interviews
An dieser Stelle sollte ein Interview mit Nemo erscheinen. Anfang Juli wurde drei Schweizer Zeitungen ein Termin am Open Air Gampel zugesagt. Einen Tag vor dem Gesprächstermin folgte die Verschiebung. Offizieller Grund: die Zeit. Für den Herbst sei die Veröffentlichung neuer Musik geplant. Zudem konzentriere man sich aktuell auf die vielen Festivalshows, wie die vom Donnerstagabend im Wallis.
Auffällig ist: Neben den Pressekonferenzen nach der Ankunft am Flughafen Zürich und dem Mediengespräch am Empfang der Stadt Biel gab Nemo seit dem ESC-Triumph schweizweit ganze drei Interviews. SRF und Blue TV durften am Gurtenfestival gefilmte Gespräche führen, dem «Bieler Tagblatt» wurde ein Termin am Festival Lakelive in Biel BE gewährt. Die Lokalzeitung wurde gebeten, keine privaten und politischen Fragen zu stellen. Die Journalistin stellte die Fragen trotzdem, sagte aber, dass Nemo diese nicht beantworten müsse. Am Ende wurde das Gespräch vom Gesangstalent abgebrochen. Die Fragen würden sich wie ein Angriff anfühlen, argumentierte der Act.
Manager verteidigt Interview-Abbruch
«Die Art und Weise, wie das ‹Bieler Tagblatt› das Interview führte, liess leider den Schluss zu, dass es dem Medium nicht um ein Gespräch auf Augenhöhe ging, sondern vielmehr darum, Schlagzeilen zu provozieren», meint Reto Lazzarotto rückblickend. «Dass Nemo dafür nicht zur Verfügung stehen wollte, ist verständlich und der Abbruch des Interviews dementsprechend legitim.»
Auch Blick wurde für das Gespräch am Open Air Gampel erst die Auflage erteilt, auf politische und private Fragen zu verzichten. Zwei Tage vor dem Interviewtermin liess man diese Forderung auf Wunsch von Blick fallen. Einen Tag später wurde der Termin ganz verschoben.
Schwierige Situation für ESC-Acts
Fakt ist: Das Teilnehmerfeld des diesjährigen Eurovision Song Contests in Malmö (Schweden) war und ist einem enormen Druck ausgesetzt. Aufgrund der Teilnahme Israels am grössten Musikwettbewerbs der Welt und dem Krieg im Gazastreifen forderten Aktivisten lauthals den Ausschluss der Nation und machten Druck auf die ESC-Acts, sich zu positionieren und ihre Stimme dafür einzusetzen. Die Gegenseite fand es unangebracht, in der aktuellen Situation Israel diese Bühne zu nehmen.
Viele Künstler hielten sich aus der Diskussion raus: «Es war heuer diesbezüglich ein sehr unruhiger und aussergewöhnlicher ESC. Aber mein Team hat mich von den politischen Diskussionen gut abgeschirmt», sagt Kaleen (29), die für Österreich am diesjährigen ESC mit dem Lied «We Will Rave» ins Rennen stieg. «Ich wollte mich auf den Wettbewerb konzentrieren, da für mich mit dem ESC ein riesengrosser Traum in Erfüllung ging.»
Nemo blieb nicht unpolitisch
Auch Kaleen trat am Donnerstagabend im Rhonetal vors Publikum, genauso wie ihre ESC-Kollegen Windows95man (38) und der Niederländer Joost Klein (26). Kaleen sagt: «Ich sehe meinen Job als Künstlerin, Menschen positive Momente zu schenken, und hoffe dies wieder erreicht zu haben.»
Nemo unterschrieb Ende März gemeinsam mit anderen ESC-Künstlern ein Statement, in dem eine Waffenruhe in Gaza gefordert wurde. Seit dem ESC-Sieg hat der Bieler ESC-Star vereinzelte Instagram-Beiträge gepostet, um auf die Situation in Palästina aufmerksam zu machen. Seit dem ESC halten sich zudem Gerüchte, Nemo hätte sich hinter den Kulissen für einen Ausschluss Israels am Wettbewerb starkgemacht. Klare Statements dazu gibt es allerdings nicht.
Nächste Woche Auftritt an politischem Festival
Der Gedanke, dass aus Angst vor Nachfragen dazu auf Interviews verzichtet wird, liegt nahe. Davon will Reto Lazarrotto aber nichts wissen. «Nemo hat seit dem ESC-Sieg viele Interviews gegeben, dabei jede erdenklich mögliche Frage, auch politische, beantwortet und nur ein einziges, nämlich das mit dem ‹Bieler Tagblatt›, abgebrochen», sagt er. «Wenn nun gesagt wird, Nemo drücke sich vor Fragen, stimmt das überprüfbar einfach nicht.» Als Beispiel nennt er das Interview von Nemo mit dem deutschen «Spiegel» von Ende Mai. Darin bestätigte Nemo, die israelische Kandidatin Eden Golan (20) getroffen und sich gegenseitig mit «Hallo» begrüsst zu haben. Dies, nachdem sie behauptet hatte, Nemo sei ihr aus dem Weg gegangen, als sie ihre Gratulation überbringen wollte. Zur Situation für die Acts hinter den Kulissen, zu den Protesten gegen Israels Teilnahme und Drohungen wollte sich Nemo im «Spiegel» nicht äussern.
Am Open Air Gampel erschien Nemo mit Teufelshörnern, blieb aber unpolitisch und wortkarg. Kein Wort gabs zu Erlebnissen seit dem ESC-Sieg, dafür lobte Nemo die ausgelassene Stimmung vor Ort. «Ihr wisst gar nicht, wie verrückt das ist, auf so einer Bühne vor so vielen wunderschönen Menschen spielen zu dürfen», sagte Nemo dort.
Politischer wird der ESC-Star nächste Woche. Am 23. August 2024 tritt das Musiktalent in Bern am No-Borders-No-Nations-Festival auf der Schützenmatte vor der Berner Reitschule auf. Der kostenlose Event fordert eine Welt ohne Nationalstaaten und Grenzen. Allein die Anwesenheit Nemos dürfte als politisches Statement zu verstehen sein.
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