Der Fall Ylenia, die Kristallhöhlenmorde und Kindermörder Ferrari
Die dramatischsten Schweizer Morde bei «Aktenzeichen XY»

Alfred Hettmer hatte am Mittwochabend nach 20 Jahren seinen letzten Auftritt vor der Kamera für «Aktenzeichen XY». Die ZDF-Sendung gibt es seit 1967, mit dabei waren auch Schweizer Fälle, die sich zum Teil ins Gedächtnis einer ganzen Generation gebrannt haben.
Publiziert: 01.12.2023 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2023 um 09:19 Uhr
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In der Nähe der Kristallhöhle wurden 1982 die Leichen von zwei Mädchen aufgefunden. Der Fall konnte nie geklärt werden.
Foto: Andrea Brunner
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Saskia SchärRedaktorin People

Alfred Hettmer (68) fasste über 20 Jahre die eingegangenen Hinweise nach jeder Sendung «Aktenzeichen XY» zusammen. Auch viele Schweizer Kriminalfälle waren Teil der ZDF-Show, die sich der Aufklärung ungelöster Verbrechen widmet. Blick stellt die Prägendsten zusammen.

1983: Kristallhöhlenmord

Am 29. Juli 1982 machten sich die beiden Freundinnen, die damals 17-jährige Brigitte M.* (17) und 15-jährige Karin G.*, aus Goldach SG auf eine gemeinsame Velotour durchs Appenzellerland. In der Jugendherberge in Schwende AI logierten sie für zwei Nächte bis am 31. Juli, bevor sie die Rückfahrt nach Goldach antraten. Am Nachmittag wollten sie wieder zu Hause sein – doch sie kehrten nie wieder zurück.

Das letzte Mal wurden sie etwa 30 Kilometer vom Ausgangspunkt entfernt gesehen, dies kurz vor 12 Uhr am 31. Juli. Eine Familie bemerkte, wie Brigitte und Karin mit ihren Velos mitten auf der Kreuzung im Weiler Kobelwies standen. Als die Familie einige Stunden später wieder derselben Stelle vorbeifuhr, sah sie zwar die beiden Velos inklusive Gepäck, von den Mädchen allerdings keine Spur – sie wurden am Abend als vermisst gemeldet.

Trotz einer grossangelegten Suchaktion – die auch das Gebiet der Kristallhöhle Kobelwald umfasste – konnten die beiden nicht aufgefunden werden. Erst neun Wochen später entdeckte ein Mann unter einer Felsplatte in der Nähe der Kristallhöhle eine verweste Leiche – es handelte sich um Brigitte. Nur wenige Meter entfernt, in steil abfallendem Gelände, wurden dann auch die sterblichen Überreste von Karin entdeckt. Aufgrund der schlecht erreichbaren Verstecke ging die Polizei von einem Kapitalverbrechen sowie von einer ortskundigen Täterschaft aus.

Ein Jahr nach dem Tötungsdelikt war die Polizei der Lösung des Falles keinen Schritt näher und wandte sich mit «Aktenzeichen XY» an die Öffentlichkeit. Der Fall wurde am 8. Juli 1983 ausgestrahlt, die erhofften Hinweise blieben aus. Da Kapitalverbrechen in der Schweiz nach 30 Jahren verjähren, wurde der Fall 2012 ungelöst zu den Akten gelegt.

1988: Werner Ferrari

Am 7. September 1985 wurde der siebenjährige Daniel vom Dorffest in Rümlang ZH entführt. Seine Leiche wurde drei Tage später aufgefunden. Täter? Unbekannt. Zwei Jahre später, am 19. Oktober 1987, ereilt den 10-jährigen Christian dasselbe Schicksal: Er wird vom Jungscharfest in Windisch AG entführt und später tot aufgefunden. Die Polizei vermutete einen Zusammenhang zwischen den Taten und ging mit dem Fall 1988 zu «Aktenzeichen XY». Noch während der Sendung meldete sich eine Frau, deren Sohn ebenfalls an einem Volksfest entführt und dann getötet wurde. Dies war 1971 und der geständige Täter, Werner Ferrari (76), verbüsste einige Jahre im Gefängnis, bevor er 1979 vorzeitig entlassen wurde. Nach den Hinweisen der Frau vergingen weitere zwei Jahre, bevor die Polizei den nicht auffindbaren Werner Ferraris erwischen konnte.

Die neunjährige Fabienne besuchte am 26. August 1989 mit einer Freundin eine Chilbi in Hägendorf SO, als sie von einem Mann angesprochen und weggelockt wurde – ihre Leiche wurde am nächsten Tag am Waldrand aufgefunden. Dank der genauen Täterbeschreibung der Freundin konnte Werner Ferrari einige Tage später in seiner Wohnung in Olten festgenommen werden. Er gestand, für den Tod von Fabienne, Daniel, Christian und eines weiteren Jungen namens Benjamin verantwortlich zu sein. Insgesamt tötete Werner Ferrari zwischen den Jahren 1971 und 1989 fünf Kinder. Zudem steht er im Verdacht, für weitere Morde verantwortlich zu sein. Werner Ferrari sitzt bis heute hinter Gittern.

2000: Die beim Trampen verschwundene Journalistin

Am 8. Oktober 1996 machte sich die damals 26-jährige Deutsche Heidi S.* von Kreuzlingen aus via Autostopp nach Weil am Rhein (D) auf. Sie war Praktikantin bei SRF (damals noch SF DRS) und wollte in Weil am Rhein eine Ausstellung für den Sender besuchen. Obwohl ihr das Ticket erstattet worden wäre, wollte sie trampen – eine fatale Entscheidung.

Via Autostopp schaffte sie es auf die Autobahnraststätte Forrenberg bei Winterthur ZH. Hier wurde sie gegen 13 Uhr das letzte Mal gesehen, danach verliert sich ihre Spur. Ihre Mitbewohnerin erstattete zwei Tage später eine Vermisstenanzeige, die Polizei suchte in den kommenden Tagen und Wochen unter anderem mit Plakaten sowie mit Radio und TV nach der verschwundenen Journalistin. Alles ohne Erfolg.

Vier Jahre später wurde der Tag des Verschwindens von Heidi S. in «Aktenzeichen XY» rekonstruiert. Die Thurgauer Kantonspolizei, vertreten durch Wachtmeister Andreas Müller, ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, «dass sie Opfer eines Verbrechens geworden ist». Entscheidende Hinweise brachte die Sendung allerdings nicht.

Am 28. Oktober 2000 entdecken Pilzsammler in einem Wald oberhalb von Spreitenbach einen Schädel. Es dauert zwei weitere Jahre, bis dieser Heidi S. zugewiesen werden konnte. Von einem mutmasslichen Mörder fehlt jede Spur – bis heute.

2007: Der Fall Ylenia

Am 31. Juli 2007 wollte die fünfjährige Ylenia L.* nur kurz ins wenige Minuten entfernte Appenzeller Hallenbad, um das am Vortag liegengelassene Shampoo abzuholen. Sie wurde beim Verlassen des Hallenbads gesehen, traf jedoch nie zu Hause ein. Die Mutter schaltete daraufhin die Polizei ein.

Am selben Abend wurde an einem Waldrand in der Gemeinde Oberbüren (SG) ein weisser Kastenwagen, der zuvor beim Appenzeller Hallenbad stand, entdeckt. Spürhunde fanden den toten Besitzer am nächsten Tag im Wald – er hatte sich selbst gerichtet. Beim Fahrer handelte es sich um Urs Hans von Aesch (1940–2007), einen in Spanien wohnhaften Schweizer. Nach der kriminaltechnischen Untersuchung des Wagens war klar: Ylenia hatte sich im Fahrzeug aufgehalten.

Auch nach wochenlangen, grossangelegten Suchaktionen blieb das Mädchen unauffindbar. Einen Monat nach ihrem Verschwinden wurde mittels der Sendung «Aktenzeichen XY» nach ihr gesucht – inklusive einer Prämie von 21'500 Franken für sachdienliche Hinweise. Doch auch das blieb ohne Erfolg.

Ylenias Leiche wurde am 15. September von einer Privatperson in einem Wald, wenige Kilometer vom Fundort des Kastenwagens entfernt, entdeckt. Ihr Körper war vergraben und dann von Wildtieren freigelegt worden. Das fünfjährige Mädchen wurde mit Nitroverdünner vergiftet.

Laut mehreren Quellen kann nicht ausgeschlossen werden, dass Ylenias Mörder, Urs Hans von Aesch, in den 80er-Jahren für weitere Morde an Kindern in der Schweiz verantwortlich war. Dafür sprechen die hohe Zahl an entführten Kindern zur damaligen Zeit, sowie sein damaliger Aufenthaltsort in der Schweiz und gewisse Parallelen zwischen den Fällen. Die ungeklärten Fälle der 80er-Jahre werden allerdings nicht nur mit Hans Urs von Aesch, sondern auch mit Werner Ferrari in Verbindung gebracht.

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