Oberstrass ist eines der beliebtesten Wohnquartiere der Stadt Zürich. Am Fusse des edlen Zürichbergs gelegen, lockt die Gegend mit viel Grünflächen, schönen Jugendstil-Bauten – und hohen Mieten. 1951 oder 1952 erwarb Hermann Ferdinand Schell (1900–1972) – der aus dem Kanton Schwyz stammte – ein Häuschen an der Culmannstrasse 49, unweit des Hauptbahnhofs. Als Bewohner wurde auch sein Sohn Maximilian Schell (1930–2014) mit dem Zusatz, dass er Student sei, geführt – das schrieb 2012 der «Tages-Anzeiger». Zu dieser Zeit debütierte er am Basler Stadttheater, danach sei er nicht mehr im Adressbuch geführt worden.
Der Quartierverein Oberstrass nahm seine prominenten Bewohner zum Anlass, in einer Art Stadtteil-Reiseführer-App namens «Oberstrassweg» das Haus an der Culmannstrasse als «Schell-Haus» zu bezeichnen. Damals lebte der Schauspiel-Star noch – und von den eklatanten Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs war nichts bekannt. Er soll sich an seiner eigenen Tochter Nastassja (34) und seiner Nichte Marie Theres Relin (57) vergangen haben. Letztere machte die Verfehlungen öffentlich.
Es ist freilich keine Seltenheit, dass Städte ihre Strassen und Plätze nach bekannten Bewohnerinnen und Bewohnern benennen – Gottfried Keller (1819–1890) oder Johanna Spyri (1827–1901) lassen grüssen. Und es gilt zu betonen, dass es sich beim Schell-Haus nicht um eine offizielle Umbenennung oder Würdigung handelt, sondern einen Orientierungspunkt eines Zürcher Quartiervereins. Nachdem sich die österreichische Stadt Wolfsberg aber in Zusammenhang mit einer Bildungsinstitution, der Schell als Schirmherr vorstand, offiziell vom Schauspieler distanzieren will, stellt sich die Frage: Passiert in Zürich etwas Ähnliches mit dem Schell-Haus?
Nachfrage bei der Präsidentin
Bis heute trägt das Haus an der Culmannstrasse 49 den inoffiziellen Beinamen seines illustren Bewohners – der sei aber aufgrund der gesamten Familie so gewählt worden «und nicht wegen des Sohns Maximilian», erklärt Claudia Frey-Heim, Präsidentin des Quartiervereins Oberstrass, gegenüber Blick. «Der Fall ist ein anderer als jener in Österreich.» Man plane aktuell nicht, «das denkmalgeschützte Haus auf der ‹Oberstrassweg›-Karte beziehungsweise der ‹Oberstrassweg›-App des Quartiervereins Oberstrass umzubenennen», bekräftigt sie weiter. «Ganz abgesehen davon gilt erst einmal die Unschuldsvermutung für Herrn Schell.»