Heute Samstag zeigt SRF 1 ab 20.10 Uhr Emil Steinbergers (88) aktuelles Programm «Alles Emil, oder?!». Im Interview mit BLICK spricht die Komiker-Legende über seinen Corona-Alltag, seine Zukunftspläne, das Geheimnis seines Erfolgs und wie er die Schweiz als König führen würde.
BLICK: Sie sind am 6. Januar 88 Jahre alt geworden. Haben Sie den König im Kuchen gefunden?
Emil Steinberger: Zu meiner grossen Überraschung hielt ich den König beim ersten Abbrechen des Kuchenstücks gleich in der Hand. «Nein, das darf nicht wahr sein!», habe ich gerufen. Das Glück steht mir im neuen Jahr schon wieder zur Seite. Ich weiss nicht mehr, ob Madame Teissier dies in meinem Horoskop so erwähnte.
Was würden Sie anordnen, wenn Sie tatsächlich einen Tag lang die Schweiz regieren könnten?
Allein, wenn ich mich in der Bundesverwaltung vorstellen und alle mit dem Ellbogen begrüssen müsste, wäre die Hälfte des Tages schon vorbei. Also könnte ich den Beamten überall meinen grössten Wunsch zurufen, der lauten würde: «Unser Staat braucht kreative Leute, also krempelt die Hemdsärmel hoch!» Auf dem Heimweg würde ich noch einen Blick ins SRF werfen und um Folgendes bitten: «Wir brauchen den ganzen Tag nicht nur Musik und Gesang, dazwischen au emol e chli Humor.» Dann gehe ich glücklich schlafen.
Gibt es in Ihrem Alter noch unerfüllte Wünsche oder Träume, die Sie unbedingt realisieren möchten?
Mit dem Ausdruck unbedingt habe ich etwas Mühe. Wenn man etwas durestiere will, dann gibt es kein gutes Resultat. Ich werde vernünftig sein und solche Dinge machen, die sich organisch noch ergeben. Da lasse ich mich selber überraschen, was noch auf mich zukommt.
Sie können auf eine einmalige und viele Jahrzehnte andauernde Karriere zurückschauen. Haben Sie schon einmal ein solch verrücktes Jahr wie 2020 erlebt?
Wenn man 1933 geboren ist, dann hatten wir das Glück, so viele Erfindungen und technische Fortschritte erleben zu dürfen – es ist eine wahrlich unglaubliche Bilanz. Dass wir nun auch noch ein ganzes Jahr mit einer absoluten Vollbremse erleben müssen, ist für unseren Jahrgang ein Novum und wirft ganz vieles um Jahre zurück. Zum Glück hatten wir in meinen frühen Jahren auch das Verzichten lernen müssen, denn wir waren nicht nur verwöhnt. Das hilft uns, dass die Nerven im Jahr 2020 nicht durchbrannten und auch zukünftig nicht durchbrennen.
Was können wir aus diesem Jahr lernen?
Dass vielleicht nicht mehr jeden Tag alles perfekt und optimal ablaufen kann, wie wir es uns wünschen und wir deshalb wir wieder lernen müssen, gescheit zu improvisieren, was der etwas eingeschlafenen Kreativität wieder eine Stossrichtung geben kann. Hingegen glaube ich, dass die aufgeflackerte Solidarität sich nicht halten kann, da der Egoismus sträflicherweise erneut Hochkonjunktur feiert.
Haben unsere Behörden Ihrer Meinung nach angemessen auf die Pandemie reagiert?
Wenn wir nicht zufrieden sind, dann müssen wir einen grossen Teil davon unserem föderalistischen System zuschieben. Es hat sich schon vor langer Zeit in den verschiedenen kantonalen Schulprogrammen gezeigt, wie schwierig es war, ein gemeinsames Ziel zu erreichen und wie die ewige Wichtigkeit der Bildung doch völlig ignoriert wurde. Ich frage mich oft, ob sich Politiker nicht etwas schämen müssten, wenn sie es nicht fertigbringen, sich zum Beispiel für eine gemeinsame Schliessung oder Öffnung von Beizen zu entscheiden und wir entlang von Kantonsgrenzen entscheiden können, ob wir ein Bier trinken gehen können oder nicht. Das isch jetz nur es chliises Müsterli gsii!
Haben Sie den Corona-Alltag gut gemeistert?
Meine Frau und ich leben im Prinzip das Homeoffice. Bei uns ist seit Beginn immer die Hälfte der Wohnung Büro. Diesbezüglich hat sich nicht viel geändert. Wir mieden Besuche oder Veranstaltungen von Anfang an. Meine Vorstellungen mussten wir erst immer verschieben, um sie dann endgültig abzusagen. Die letzten wären Anfang März nochmals in Basel gewesen. Da meine Frau auch noch nebst der administrativen Arbeit sehr kreativ ist und malt und gestaltet – ihre Lachseminare musste sie auch annullieren – sind wir gut und gesund über die Runden gekommen. Die neue Situation verlangt absolute Disziplin. Impfen werden wir uns auch lassen, sobald sich die Impfstoffgeschichten beruhigt haben und alles gesundheitlich positiv läuft.
Sie wirken, gerade auch in den Aufnahmen zu «Alles Emil, oder?!», unglaublich vital. Woher schöpfen Sie Ihre Lebenskraft?
Ein geschenktes Talent «Leute zum Lachen zu bringen» ausüben zu können, beflügelt, auch wenn es oft harte Arbeit ist. Wenn ich kürzlich in einem Mail sehen konnte, wie ein Vierjähriger am Küchentisch mit konfitüreverschmiertem Mund meine Nummer «Vater von Fünflingen» aufsagt und sein ein Jahr älterer Bruder meint, dass für ihn in Sachen Berühmtheit «Emil mit Harry Potter und Dinosaurier an erster Stelle stehe», dann freut mich das, aber ich weiss nicht, wie lange ich mein «Hobby» noch ausführen kann.
Ab Februar 2020 mussten Sie Ihre Tournee unterbrechen. Fehlt Ihnen der Applaus?
Applaus? Viel eher freut es mich, wenn man mir sagt, dass alle Besucher mit fröhlichen Gesichtern das Theater verlassen haben. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich eine der anderen Türen öffnen kann, wenn ein Tor zugeht: Malen, Schreiben, kleine und grössere Ideen anpacken, überall Ordnung machen. Vor allem mein Archiv ist immer noch nicht aufgeräumt. Aber im Moment nutze ich die Hälfte meiner Zeit, um meine Autobiografie zu schreiben. Das ist eine sehr komplizierte und umfangreiche Angelegenheit, das ist harte Arbeit.
In Ihrem Publikum versammeln sich oft drei oder gar vier Generationen. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Vermutlich, weil ich den Menschen im Mittelpunkt habe, mit all seinen fröhlichen und mühsamen Seiten. Da gibt es halt Szenen, die man beim Verlassen des Theaters noch mitnimmt, auf den Heimweg, ins Bett und … dann bleiben sie halt haften. Und später äussert man im Alltag fast ungewollt eingeprägte Emil-Sätze und trifft bei andern Menschen auf gemeinsame Empfindungen über Generationen hinweg. Aber man muss wissen: Das ergibt sich so, das kann man weder beabsichtigen noch steuern. Ich habe das nie bewusst realisiert. Es funktionierte bei mir schon in der Primarschule so oder als Ministrant in der Kirche.
Unser Leben hat sich durch die Technik stark verändert. Wie beurteilen Sie die zunehmende Abhängigkeit von Computern?
Computer dienen mehr dem Geschäftsleben. Praktisch, einmalig, aber leider auch anfällig für eine kriminelle Verwendung. Handys finde ich eher etwas, was unsere Kultur verändert. Selbstgespräche mit Handy-Inhalten haben nie die Kraft wie ein Gespräch unter vier oder mehr Augen. Und diese Welle ist noch nicht auf dem Höhepunkt. Ich bin schockiert, wie man in einem Theater bis zur letzten Sekunde vor Beginn, in der Pause und unmittelbar nach der Vorstellung das Handy zückt, als ob es mit dir über das gesehene Ereignis sprechen möchte. Sofort bricht man wieder in eine andere Welt ein. Fast wie beim Fernsehen: Eine Komödie ist beendet und zwei Sekunden später kommen schon wieder die schlimmsten Meldungen aus der ganzen Welt. Schade.
Gibt es schon Pläne für ein rauschendes Fest zum 90. Geburtstag?
Für mich waren Geburtstage nie ein Thema. Den 80. Geburtstag habe ich erst richtig realisiert, als die Medien sich im Vorfeld nervös meldeten. Da musste ich mich zum ersten Mal hinterfragen, ob ich denn eigentlich die Bedeutung der Zahl 80 nicht richtig realisiert habe. Mahnen Sie mich also wieder, damit ich den 90. nicht verpasse!
Der gebürtige Luzerner Emil Steinberger – seit 2008 ist er Ehrenbürger – ist seit den frühen 1970er-Jahren als Kabarettist im ganzen deutschsprachigen Raum erfolgreich. Sketches wie «S' Chileli vo Wasse» oder «Der Kinderwagen» sind Teil des Schweizer Kulturguts geworden. Zur ungemein grossen Popularität des gelernten Postbeamten trugen auch seine legendären Knie-Gastspiele oder die Hauptrolle im Film «Die Schweizermacher» bei. Nach einem längeren Aufenthalt in New York (USA) heiratete er 1999 seine heutige Gattin Niccel (55) und kehrte mit ihr in die Schweiz zurück. Seit 2014 lebt das Ehepaar in Basel. Zurzeit arbeitet Steinberger an seiner Autobiografie.
Der gebürtige Luzerner Emil Steinberger – seit 2008 ist er Ehrenbürger – ist seit den frühen 1970er-Jahren als Kabarettist im ganzen deutschsprachigen Raum erfolgreich. Sketches wie «S' Chileli vo Wasse» oder «Der Kinderwagen» sind Teil des Schweizer Kulturguts geworden. Zur ungemein grossen Popularität des gelernten Postbeamten trugen auch seine legendären Knie-Gastspiele oder die Hauptrolle im Film «Die Schweizermacher» bei. Nach einem längeren Aufenthalt in New York (USA) heiratete er 1999 seine heutige Gattin Niccel (55) und kehrte mit ihr in die Schweiz zurück. Seit 2014 lebt das Ehepaar in Basel. Zurzeit arbeitet Steinberger an seiner Autobiografie.