Blick erzählt sie den tragischen Grund
Evelyne Binsack zieht Nationalrats-Kandidatur zurück!

Sie wurde beinahe von einer Lawine überrollt, sprang zu ihrer Rettung in eine Gletscherspalte. Durch Grönland ging sie zu Fuss, fuhr schon 4600 Kilometer auf dem Velo. Den Politgipfel zu erklimmen, lässt die Bernerin hinter sich.
Publiziert: 18.12.2022 um 19:37 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2022 um 09:45 Uhr
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Extremsportlerin Evelyne Binsack wird nicht kandidieren.
Foto: Heiner Schmitt
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Flavia SchlittlerRoyal- und People-Expertin

Sie war die erste Schweizerin, die 2001 im Alleingang den Gipfel des Mount Everest, den mit 8848 Metern höchsten Berg der Erde, erklomm. Als Nächstes wollte Evelyne Binsack (55) den Politgipfel erklimmen. Vor knapp vier Wochen gab die Berner SVP bekannt, dass sie sie 2023 in den Nationalrat schicken will. Doch nun zieht Binsack ihre Kandidatur überraschend zurück. Blick erzählt die bekannteste Schweizer Extremsportlerin exklusiv die Gründe.

Blick: Frau Binsack, Sie ziehen Ihre Nationalrats-Kandidatur zurück. Weshalb?
Evelyn Binsack:
Aus gesundheitlichen Gründen. Aufgrund von Spätschäden eines unverschuldeten Unfalls vor elf Jahren erlitt ich eine Halswirbelfraktur und eine Gehirnerschütterung. Ich war seitdem nie ganz schmerzfrei, aber in letzter Zeit haben sich die Symptome verschlimmert. Ich dachte, Kraft meines Willens könne ich die Beschwerden wie starke Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Hypervigilanz, also erhöhte Wachheit und in der Folge die Erschöpfung, überwinden. Aber leider hat der Wille keinen Zugriff auf das Nervensystem.

Weshalb hatten Sie sich überhaupt für die SVP entschieden?
Weil sie an die Eigenverantwortung der Bürger glaubt und verstanden hat, dass diese, wenn sie gefördert wird, zu eigener Stärke führt.

Was wollten Sie im Nationalrat bewirken?
Ich bin eigentlich ein sehr unpolitischer Mensch, habe aber eine ausgeprägte Beobachtungsgabe. Durch meine Referate, die Arbeit als Bergführerin und Mentalcoach habe ich Einblick in die Geschichten von vielen Menschen. Und bei vielen zeigt sich eine latente Angst. Bedauerlicherweise befeuern Teile der Politik diese Angst, anstatt sie zu lösen. So hat die Schweiz in meinen Augen an Souveränität verloren. Ich will die Menschen durch ihre Ängste hindurch zu Stärke und Souveränität führen.

Ist es nur die Gesundheit, die Sie nun daran hindert?
Vor allem, ja. Ich wollte aber auch keinen Wahlkampf betreiben, keine Plakate von mir hängen sehen. Das wurde nicht goutiert und hat meinen Entscheid, die Kandidatur zurückzuziehen, zusätzlich unterstützt. Politik ist aus meiner Sicht stark lobbygeprägt. Die Interessen einer Lobby sind aber nicht zwangsläufig die Interessen des Volkes – und so steckt der Politiker, die Politikerin bereits vor Amtsantritt in einem Interessenkonflikt.

Wie meinen Sie das?
Um sich eine Meinung zu bilden, bedarf es eines nüchternen, unabhängigen Geistes. Ich glaube, das ist die schwierigste Aufgabe eines Politikers: sich immer eine neutrale, offene Haltung zu bewahren. Zum Beispiel beim Klimaschutz, der leider auf Kosten des Naturschutzes angestrebt wird oder bei der Art und Weise, wie wir als Volk durch eine Pandemie gehen. Ich finde: Man sollte eventuelle Fehlentscheide nachträglich aufarbeiten.

Sie gewichten den Naturschutz höher als den Klimaschutz?
Ja. Nehmen wir als Beispiel die Windenergie: Unter jedem Windrad ist ein Einfamilienhaus grosser Betonblock in den Boden gegossen. Da wird Leben im Boden einfach ausgelöscht. Leider haben wir uns vom Denken in Kreisläufen, wie es sie in der Natur gibt, entfernt und staunen, dass wir langfristig so nicht weitermachen können. Ich habe die Lösung auch nicht, aber das Denken in Kreisläufen müsste oberste Priorität haben. Ich bin für Naturschutz. Das Klima reguliert sich dann von alleine.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Eine Idee wäre eine geschlossene Waldstrasse durch ganz Europa, besser noch vom Atlantik über Russland bis nach China. Es ist erwiesen, dass Wälder ihr eigenes Klima generieren, Temperaturen regulieren, Feuchtigkeit erzeugen. Eine Waldstrasse wäre ein konkreter, visionärer Lösungsvorschlag. Oder begrünte Parkplätze mit einem Wasser durchlässigen Boden. Ich finde: Es spielt keine Rolle, ob wir rechts oder links sind. Wir müssen wieder lernen, uns offen und neugierig zusammen an den Tisch zu setzen, mit Wissenschaftlern und Visionären, mit Respekt vor den anderen, mit Neugier für noch nicht Gedachtes und mit Ehrlichkeit auch gegenüber unseren Irrtümern.

Werden Sie auf andere Art politisch aktiv werden?
Ich bin ein Ganz-oder-gar-nicht-Mensch. Der Entscheid, die Nationalratskandidatur zurückzuziehen, bedeutet, dass ich keine andere politische Aufgabe übernehmen werde.

Wie waren die Reaktionen auf Ihren Rückzug in der Partei?
Ich habe sehr viel Verständnis erhalten. Ich habe den Entscheid auch so früh getroffen, damit die SVP Oberhasli noch die Chance hat, einen anderen Kandidaten oder eine Kandidatin in den Wahlkampf zu schicken.

Wie geht es für Sie weiter?
Im Moment stehen einige Untersuchungen in der Klinik an und ich suche in Zusammenarbeit mit den Ärzten nach Lösungen, um mit den Symptomen besser klarzukommen. Und dann werde ich mir ein neues Ziel suchen.

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