«Ein herzliches ‹Fuck you› an diejenigen, die in dem Verhalten von Gil Ofarim einen Beweis dafür sehen, dass Antisemitismus nicht existiert.» So fasst Autor Thomas Meyer (49) kurz und prägnant seine Meinung zum Prozess rund um den Musiker Gil Ofarim (41) zusammen.
Der Sohn jüdischer Eltern behauptete 2021, wegen einer Kette mit Davidstern-Anhänger in einem Leipziger Hotel antisemitisch behandelt worden zu sein. In der Folge gab es Demonstrationen vor der Unterkunft und einen breiten öffentlichen Diskurs über Antisemitismus in Europa. Schliesslich landete der Fall vor Gericht, da Mitarbeitende und Gäste des Hauses Ofarims Behauptung bestritten. Weder habe der Sänger einen Davidstern getragen, noch sei er antisemitisch beleidigt worden. Nach sechs Tagen vor Gericht gestand Gil Ofarim schliesslich, dass er zwei Jahre lang log, der Vorfall frei erfunden war.
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Jeder Jude habe Antisemitismus erlebt
«Mit diesem Verhalten schadet er dem Aktivismus gegen diese Seuche. Mir ist es ein absolutes Rätsel, warum er das getan hat», sagt Thomas Meyer zu Blick. «Als Jude wird er ja, wie jeder von uns, Antisemitismus erlebt haben, er weiss, wie schlimm sich das anfühlt und wie schwierig es ist, solche Vorfälle zu beweisen.»
Antisemitismus hat viele Formen. Es gibt den kirchlichen Judenhass, den muslimischen Judenhass, den rassistischen Judenhass, den rechtsextremen Judenhass und den Judenhass der Linken, die ihn hinter einer anti-israelischen Haltung verstecken. Und dann gibt es den ideologiefreien Alltags-Antisemitismus, der glaubt, dass Juden geizig, reich und listig sind, im Hintergrund die Fäden ziehen, grosse Nasen haben und die Finanzwelt beherrschen. Die Ressentiments sind teils hochaggressiv, teils subtil. Aber wer glaubt, etwas über alle Juden zu wissen, steht bereits im Sumpf des Antisemitismus.
Antisemitismus hat viele Formen. Es gibt den kirchlichen Judenhass, den muslimischen Judenhass, den rassistischen Judenhass, den rechtsextremen Judenhass und den Judenhass der Linken, die ihn hinter einer anti-israelischen Haltung verstecken. Und dann gibt es den ideologiefreien Alltags-Antisemitismus, der glaubt, dass Juden geizig, reich und listig sind, im Hintergrund die Fäden ziehen, grosse Nasen haben und die Finanzwelt beherrschen. Die Ressentiments sind teils hochaggressiv, teils subtil. Aber wer glaubt, etwas über alle Juden zu wissen, steht bereits im Sumpf des Antisemitismus.
Für Thomas Meyer, der mit «Was soll an meiner Nase jüdisch sein» einen Leitfaden zu Antisemitismus im Alltag verfasste, bleibt die Lüge des jüdischen Musikers ein Rätsel: «Das ist verstörend und ein riesiger Rückschlag für Jüdinnen und Juden.» Dass Ofarim aber Leugnern in die Hände spiele, glaubt Meyer nicht. «Wer in seinem Verhalten den Beweis dafür sieht, dass es keinen Antisemitismus gibt, oder, dass jüdische Personen ihn erfinden, um Aufmerksamkeit zu generieren, der war schon vorher Antisemit. Nur so findet man darin eine Argumentation für die eigene Haltung.»
Sicherung durchgebrannt
Es sei nun wichtig, das Verhalten des Sängers nüchtern zu beurteilen, so Meyer weiter. «Ein Jude hat einen antisemitischen Vorfall erfunden. Das macht die unzähligen anderen, die tatsächlich stattgefunden haben, nicht weniger problematisch.»
Es sei aus der Ferne nicht eruierbar, was Ofarim zu seinem Verhalten getrieben habe, das sei im Gesamtkontext auch egal. «Ob ihm jetzt eine Sicherung durchgebrannt ist, es ihm aus irgendeinem Grund schlecht ging. Das spielt keine Rolle. Fakt ist, dass dieser Fall dem Kampf gegen die Diskriminierung von Jüdinnen und Juden schadet.» Denn auch wenn «Herr Ofarim hier Scheisse gebaut» habe: «Es gibt leider immer noch eine riesige Menge an Menschen, die tagtäglich Antisemitismus erleben.»