Mutig, offen und direkt – Morena Diaz (28) gab Anfang des Jahres vielen Opfern von sexueller Gewalt ein Gesicht, indem sie ihre eigene Geschichte erzählte und damit an die Öffentlichkeit ging. Auf die Frage, wie es ihr gehe, lacht sie herzlich und sagt: «Es geht mir gut. Mal so, mal so. Ich lerne ständig dazu.»
Nach ihrem Post im Januar wurde die Bloggerin und Body-Positive-Influencerin mit Nachrichten überhäuft. Viele Follower teilten ihre persönlichen Erlebnisse. Andere beschimpften sie. Diaz gab Interviews und trat vor die TV-Kameras, vor die Polizei und vor die Staatsanwaltschaft. Immer und immer wieder erzählte sie ihre Geschichte.
Morena Diaz hatte Corona
Schon vor den Ereignissen hatte die Primarlehrerin den Entschluss gefasst, sich eine Auszeit zu nehmen. «Ich wollte meine eigenen Bedürfnisse wieder wahrnehmen.» Nach den kräftezehrenden Wochen und Monaten umso mehr. Bereits im Herbst kündigte sie ihre Stelle, um den Sommer dieses Jahres in Südspanien zu verbringen. Aber: «Wie hätte ich die Zeit geniessen können, wenn der Strafprozess der sexuellen Nötigung noch am Laufen ist?» Wegen der Corona-Krise musste sie ihre Reisepläne schliesslich vollständig begraben. «Dabei wäre es so wichtig für mich gewesen. Ich wollte einfach nur mal weg.»
Dann erkrankte Diaz Mitte April selbst am Coronavirus. Es habe mit Husten und schmerzenden Schienbeinen und Knien begonnen. «Ich wurde positiv getestet. So schlecht ist es mir schon lange nicht mehr gegangen. Vor allem aber auch, weil ich Vollgas arbeitete, Fernunterricht gab und anfangs keine Zeit hatte, mich zu erholen», erzählt sie. Für ihre Schüler schleppte sich Diaz trotzdem ans Telefon und für den virtuellen Unterricht vor den Computer. «Ich wollte für meine Kinder da sein.» Inzwischen hat sie die Erkrankung gut überstanden. Warum ihr das alles passiert? Diaz zuckt die Schultern. «Vielleicht bekomme ich das alles ab, weil ich stärkere Schultern als jemand anderes habe und es diese Person brechen würde.»
«Ich habe jemanden kennengelernt»
Im August hat Diaz ihren Job als Lehrerin vorerst an den Nagel gehängt. Sie geht regelmässig tanzen und möchte sich vor allem online weiter kreativ verwirklichen. «Durch die freie Zeit habe ich meine Kreativität wieder entdeckt. Ich spiele mit dem Gedanken, einen Podcast zu starten. Und es würde mich reizen, ein zweites Buch zu schreiben», erzählt sie. Ausserdem habe sie den Wunsch, sich sozial zu engagieren und Trauma-Opfern zu helfen. «Wenn ich wieder ganz bei mir bin, dann kann ich mir auch wieder vorstellen, ein paar Lektionen zu unterrichten.»
Im Augenblick überlegt Diaz, in ihrem kleinen Fiat Cinquecento zwei Wochen durch Italien zu fahren. «Es kribbelt immer noch ein wenig, zu verreisen.» Aber etwas hat das Bedürfnis geschmälert, so lange wegzufahren. «Ich habe jemanden kennengelernt», verrät Diaz lächelnd und fügt hinzu: «Wir sehen uns regelmässig, und er tut mir sehr gut.»