Hollywoods lange Nacht: Heute Abend findet im Dolby Theatre in Los Angeles (USA) die Oscarverleihung statt. Die Zürcherin Corinna Glaus (66) bestimmt mit, wer den begehrtesten Filmpreis der Welt mit nach Hause nehmen darf. Denn Glaus ist nicht nur die renommierteste Casterin des Landes («Die göttliche Ordnung», «Platzspitzbaby»), sondern seit sechs Jahren auch Academy-Mitglied. Damit gehört sie zu den über 9000 Filmschaffenden, die jedes Jahr per Onlinevoting entscheiden, an wen die begehrten Goldmännchen gehen. «2022 war ein spannendes Kinojahr», sagt Glaus. «Es gab spektakuläre, technisch hochstehende Filme, aber auch viele skurrile, ruhige Geschichten, in denen das Talent der Darstellerinnen und Darsteller zur Geltung kommt.» SonntagsBlick verrät sie, wie sie ihre Stimmen verteilt hat.
Beste Hauptdarstellerin
«Ich war hin- und hergerissen zwischen Cate Blanchett und Michelle Yeoh. Am Ende entschied ich mich für Cate Blanchett. Sie liefert in ‹Tár› ein Beispiel allerhöchster Schauspielkunst ab. Man ist dieser Figur – der Dirigentin, die immer unsympathischer wird – unglaublich nahe. In jeder Sekunde, in jeder Bewegung, Mimik und Haltung schafft es Blanchett, die man als Schauspielerin ja bereits länger kennt, zu faszinieren und zu überraschen. Eine oscarwürdige Darbietung.»
Bester Hauptdarsteller
«Ich konnte mich kaum entscheiden zwischen Brendan Fraser und Paul Mescal. Meine Stimme ging schliesslich an Brendan Fraser. Er spielt in ‹The Whale› mithilfe von Make-up und Fatsuit einen schwer übergewichtigen Mann, der sich mit seiner Tochter aussöhnen will. Fraser drückte diese Verletzlichkeit und diese Scham in seinem Gesicht so berührend aus, dass ich komplett vergass, dass alles gespielt ist – eine beachtliche schauspielerische Leistung.»
Nebenrolle Frauen
«Ich habe für Jamie Lee Curtis in ‹Everything Everywhere All at Once› gedrückt. Durch ihre strenge Art und ihr komödiantisches Talent geht sie in der Figur der Steuerbeamtin in diesem irrwitzigen Trip von Film total auf. Curtis spielt ihre Rolle auf herrlich lustvoll überhöhte Weise und lotet dabei ihre Grenzen aus. Das macht beim Zuschauen grossen Spass.»
Nebenrolle Männer
«Meine Stimme ging an Brendan Gleeson in ‹The Banshees of Inisherin›. Dieser schräge Film, der von der Verbundenheit zweier irischer Männer mit den Bergen ihrer Kindheit handelt, erzählt eine einfache Geschichte, die sich immer mehr zuspitzt. Brendan Gleesons Gesicht fliesst förmlich in diese irische Welt und wird eins mit ihr. Er hat die Figur und die Geschichte so gespürt und ausgefüllt, dass man sich keine bessere Besetzung für diese Rolle vorstellen kann.»
Bester Film
«Obwohl ich von ‹All Quiet on the Western Front› beeindruckt bin, hatte ich extrem Mühe mit dieser perfekten Antikriegsfilm-Maschinerie, die mich kaum mehr berührt. Für mich geht der Oscar an ‹Everything Everywhere All at Once›. Ein extrem reicher, fantasievoller, vitaler Film, in dem die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschmelzen.»
Beste Regie
«Ich habe mich für Ruben Östlund mit ‹Triangle of Sadness› entschieden. Ein tolles Werk mit hervorragender Besetzung, bei der auch die Schweizerin Sunnyi Melles dabei ist. Der Film erzählt die Geschichte einer Kreuzfahrt von Superreichen, die in einen Sturm geraten und durchdrehen. Eine äusserst unterhaltsame und provokative Gesellschaftsparabel, in der die Schauspieler zur Höchstform auflaufen.»