Corinna Glaus ist in der Academy-Jury
«Die Schweiz hat gute Chancen auf einen Oscar»

Die Zürcher Casting-Direktorin Corinna Glaus ist Academy-Mitglied und entscheidet mit, wer heute Abend einen Oscar gewinnt.
Publiziert: 27.03.2022 um 16:58 Uhr
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Aktualisiert: 28.03.2022 um 05:42 Uhr
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Corinna Glaus ist seit fünf Jahren Mitglied der Academy und entscheidet mit, wer heute Abend einen Oscar gewinnt.
Foto: Thomas Meier
Patricia Broder

Hollywoods Nacht der Nächte: Heute Abend findet im Dolby Theatre in Los Angeles zum 94. Mal die Oscarverleihung statt. Die wichtigste Preisverleihung der Filmszene wird in diesem Jahr gleich von drei Gastgeberinnen moderiert: den Komikerinnen Amy Schumer (40) und Wanda Sykes (57) sowie der Schauspielerin Regina Hall (51). «Endlich wieder einmal Oscars als grosse Show und mit Live-Publikum – wie sich das gehört», freut sich Corinna Glaus (65), die renommierteste Casterin der Schweiz («Die göttliche Ordnung», «Platzspitzbaby»), die seit fünf Jahren auch Academy-Mitglied ist. Damit gehört Glaus zu den über 7000 Filmschaffenden, die jedes Jahr per Onlinevoting entscheiden, wer eines der begehrten Goldmännchen gewinnt und nach Hause nehmen darf. «2021 war ein tolles Kinojahr, und es fiel mir teilweise schwer, mich zu entscheiden», sagt die Expertin. «Ich habe dann schlicht auf meine Intuition vertraut.»

Bester Kurzfilm

«In dieser Kategorie habe ich dieses Jahr meinen liebsten Klick verteilt. Und zwar für den Schweizer Beitrag ‹Ala Kachuu› von Maria Brendle und Nadine Lüchinger. Ein wahnsinnig mutiges Projekt über den Brautraub in Kirgistan. Maria, die auch eine Kollegin von mir ist, schafft es in ihrem Werk, ein so schwieriges Thema auf sehr gradlinige Weise zu erzählen. Ein berührender und mutiger Kurzfilm, der den Sieg mehr als verdient hätte. Die Schweiz hat dieses Mal wirklich gute Chancen, einen Oscar zu gewinnen.»

Beste Hauptdarstellerin

«Penélope Cruz ist in ‹Parallele Mütter› des spanischen Kultregisseurs Pedro Almodóvar hervorragend. Das Duo liefert erneut eine unglaubliche Zusammenarbeit ab. Trotzdem ging meine Stimme an Jessica Chastain als christliche Fernsehpredigerin in ‹The Eyes of Tammy Faye›. Ein amerikanischer Film auf höchstem Niveau. Hier stimmt von der Regie über die Maske wirklich alles. Und Chastain spielt brillant. Als Schauspielerin hat sie ein unglaubliches Gespür für die Entwicklung ihrer Figuren und lässt dabei viel Raum für Schwäche und Verletzlichkeit.»

Bester Hauptdarsteller

«Hollywood-Star Will Smith ist in ‹King Richard› als Richard Williams, dem Vater der Tennis-Schwestern Venus und Serena Williams, sehr berührend. Doch mir war die Inszenierung etwas zu eindimensional. Ich entschied mich für Javier Bardem in ‹Being the Ricardos›. Bardem ist ein echter Charakterdarsteller, der trotz seiner starken Männlichkeit auch sehr verletzlich und schillernd sein kann. Man erkennt ihn immer als Bardem, und doch bleibt er wandelbar. Das ist hervorragende Schauspielkunst.»

Nebenrolle Frauen

«In dieser Kategorie fiel es mir tatsächlich schwer, mich zu entscheiden. Und obwohl ich ein grosser Fan von Kristen Dunst bin, ging meine Stimme schliesslich an die irische Schauspielerin Jessie Buckley in der Elena-Ferrante-Adaption ‹Frau im Dunkeln›. Auch wenn Buckley neben Hauptdarstellerin Olivia Coleman fast etwas unscheinbar wirkt, ist sie für mich eine echte Entdeckung. Sie hat eine unglaublich starke Leinwandpräsenz, und man kann kaum mehr die Augen von ihr lassen.»

Nebenrolle Männer

«Wie viele bin ich begeistert von Kodi Smit-McPhee im Spätwestern ‹The Power of the Dog›. Kodi ist einfach eine Erscheinung. Er ist zudem der Darsteller dieses Ensemble-Films von Jane Campion, der mir am allermeisten in Erinnerung geblieben ist. Smit-McPhee hat die Gabe, diese komplexe Figur des gedemütigten schwulen Cowboys eindrücklich darzustellen.»

Bester Film

«Mein Lieblingsfilm unter allen nominierten ist ‹Drive My Car› des japanischen Regisseurs Teruhisa Yamamoto. Ein sehr kunsthafter Film, der nachhallt. Man weiss zwar am Anfang als Zuschauer nicht, was Yamamoto einem genau erzählen will, doch dann wird man immer mehr in dieses rätselhafte Meisterwerk hineingezogen. ‹Drive My Car› ist ein berührendes Roadmovie mit wunderbaren Bildern und Schauspielern, dem man sich nicht entziehen kann.»

Beste Regie

«Meine Stimme ging an Kultregisseur Paul Thomas Anderson für ‹Licorice Pizza›. Eine skurrile Lovestory um einen 15-Jährigen, der sich im Amerika der 1970er-Jahre in seine zehn Jahre ältere Kollegin verliebt. Die Geschichte wird authentisch und überzeugend erzählt und ist mit den beiden jungen Hauptfiguren frech besetzt. Neben Anderson würde ich aber auch Jane Campion den Sieg gönnen – auch sie ist eine Meisterregisseurin. Nicht umsonst sind viele ihrer Schauspieler und Schauspielerinnen ebenfalls für einen Oscar nominiert.»

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