Hollywoodstar Johnny Depp (58) kann triumphieren – seine Ex-Frau Amber Heard (36) ist die Verliererin: Vier Tage, nachdem eine Jury am Bezirksgericht in Fairfax im US-Bundesstaat Virginia die Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Ex-Gatten in den meisten Punkten abschmetterte, gibt das Urteil viel zu reden.
Von Frauenrechtlerinnen wird kritisiert, dass sich die sieben Geschworenen hauptsächlich auf die Seite von Depp gestellt haben. Die Schauspielerin muss ihrem Ex-Mann umgerechnet 8 Millionen Franken Schadenersatz zahlen, während er ihr nur rund 1,9 Millionen Franken geben muss. Das sei eine Kampfansage an die #MeTooBewegung: «Wochenlang ist eine Frau gedemütigt, beleidigt und parodiert worden, die ein mutmassliches Opfer sexueller Gewalt war», schreibt «Welt»-Autorin Lena Karger.
In der Schweiz unmöglich
Aber auch dass die Schlammschlacht vor laufender Kamera ausgetragen wurde, sorgt für Unmut. «Zum Glück gibt es bei uns in der Schweiz keine Kultur, die eine öffentliche mediale Gerichtsverhandlung in dieser Form erlaubt», sagt Juristin Sibel Arslan (41), Basler Nationalrätin der Grünen. «Öffentliches Interesse darf nicht per se über dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen stehen. Und das ist gut so.»
Einmal mehr rückt das amerikanische Justizsystem wieder in den kritischen Fokus, wobei zu berücksichtigen ist, dass die US-Bundesstaaten grosse Autonomie besitzen. In diesem Fall kam das Recht des Bundesstaats Virginia zum Zug, da der angeblich verleumderische Artikel von der Zeitung «Washington Post» veröffentlicht wurde, deren Druckerei und Online-Server sich in Virginia befinden.
Laien-Jury kommt eher zu Fehlurteilen
Das Gesetz von Virginia erlaubt es, Geschworene auf Antrag einer Partei auch in Zivilprozessen einzusetzen, wenn – wie im Fall Depp vs. Heard – der Streitwert hoch genug ist. Kritisiert wird, dass eine Laien-Jury nach der Darstellung von Fakten argumentiert, nicht juristisch. «Damit besteht aber die Gefahr, dass sie emotionaler urteilen als professionelle Richter und es so zu Fehlurteilen kommen kann», gibt der frühere Zürcher Staatsanwalt Urs Broder (77) zu bedenken.
Es sei durchaus möglich, dass Laien der beliebteren Person in einem Prozess mehr Zuspruch geben. Das wäre eine Erklärung dafür, dass Depp als Sieger hervorging. «Vielleicht hätten professionelle Richter aufgrund der dünnen Beweislage den Fall strafrechtlich mit einem Freispruch und zivilrechtlich mit Abweisung der Klage erledigt», mutmasst Broder.
Rhetorik und Gefühle spielen im angelsächsischen Rechtssystem mehr ins Urteil hinein, der Instinkt hat Vorrang vor der kalten Expertise. «Weil die Fälle immer komplexer und internationaler wurden, hat man in der Schweiz vor rund zehn Jahren die kantonalen Straf- und Zivilprozessordnungen vereinheitlicht», erläutert der Jurist. In diesem Zusammenhang wurden die in einzelnen Kantonen noch bestehenden Geschworenengerichte abgeschafft. «Dabei spielten auch pekuniäre Gründe eine Rolle. Es war schlicht zu teuer, zusätzlich zum üblichen Gerichtspersonal jedes Mal Laien für Prozesse aufzubieten, die manchmal Wochen dauerten», so Broder.
Amber Heard zieht den Fall weiter
Wie liefe so ein Fall eigentlich in der Schweiz ab? «Der Kläger oder die Klägerin müsste bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft einen Strafantrag stellen. Nach durchgeführtem Beweisverfahren würde der Fall entweder mit einem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft erledigt, oder es käme zu einem Prozessverfahren vor dem zuständigen Gericht. Dies würde aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, erläutert Broder. «Dass sechs Wochen lang mit der Erlaubnis von Film- und Tonaufnahmen verhandelt würde und Millionenbeträge gefordert werden, wäre bei uns undenkbar», sagt er.
Schauspielerin Heard hat auf Instagram bereits deutlich gemacht, wie enttäuscht sie über die Entscheidung des Gerichts ist. Sie will Berufung einlegen. Damit dürfte ein Spektakel, bei dem bis zuletzt unklar war, ob es mehr Gerichtsverfahren oder Seifenoper war, in die nächste Runde gehen. Dabei geht es ja eigentlich um psychische und physische Gewalt in Beziehungen. Und das verlangt mehr Respekt. Würde man meinen.
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