Sie nahmen Amber Heard (36) ihre Schilderungen der sexuellen Gewalt nicht ab: Im Mega-Prozess zwischen Johnny Depp (58) und seiner Ex-Frau Amber Heard hat die Jury sich grösstenteils auf die Seite von Depp gestellt – aber auch Heard in einigen Punkten recht gegeben. Dem Urteil zufolge muss die «Aquaman»-Schauspielerin ihrem mehr als 20 Jahre älteren Ex-Mann nun 8,35 Millionen Dollar (umgerechnet 8 Millionen Franken) Schadenersatz zahlen. Heard hat bereits über eine Sprecherin angekündigt, dass sie in Berufung gehen will.
Das interessiert Johnny-Depp-Fans aktuell jedoch nicht. Die «Deppford Wives», wie sich die besonders eingefleischten Anhänger des Hollywoodstars nennen, feiern den Sieg ihres Idols ausgiebig. Auf Youtube, Tiktok und Instagram werden unzählige Clips des Prozesses geteilt – der «Fluch der Karibik»-Star war seit Beginn der Verhandlung vor sechs Wochen der Gewinner auf Social Media. Eine überwältigende Mehrheit der Kommentare unter Hashtags wie #justiceforjohnny oder #heardvsdepp stempelten Heard als Lügnerin ab und sahen in Depp das Opfer. Dass der Filmstar nun vor Gericht recht erhielt, sei ein Befreiungsschlag männlicher Missbrauchsopfer, sind sie sich sicher.
Kampfansage an #MeToo
Doch ist das tatsächlich der Anfang von #MenToo und das Ende von #MeToo, wie Experten nun vielerorts diskutieren? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Denn die Jury hat nicht darüber entschieden, ob Depp ein Opfer häuslicher Gewalt ist, sondern ob Heard eines ist. «Wenn du keine Bilder machst, ist es nicht passiert. Machst du Bilder, sind sie gefälscht. Wenn du keine medizinische Hilfe annimmst, warst du nicht verletzt», fasste Heards Anwalt Ben Rottenborn die Botschaft zusammen, die die Geschworenen bei einer Verurteilung seiner Mandantin an Opfer häuslicher Gewalt senden würden. Dieser Meinung schliesst sich auch die «New York Times»-Journalistin Michelle Goldberg an. Ähnliche Klagen von Männern könnten folgen. Der Prozess habe einen «frauenfeindlichen Irrsinn» losgetreten. Goldberg vermutet, dass gegen Heard eine gross angelegte Kampagne auf Social Media organisiert wurde.
Klar ist: Der Ausgang des Prozesses ist eine Kampfansage an die #MeToo-Bewegung: «Wochenlang ist eine Frau gedemütigt, beleidigt und parodiert worden, die ein mutmassliches Opfer sexueller Gewalt war», schreibt «Welt»-Autorin Lena Karger zum Urteil. «Der Prozess hat in den Menschen eine Wildheit entfacht, die an Haie im Blutrausch erinnert.» Dabei seien während der Verhandlung auch Textnachrichten von Depp ans Licht gelangt, in denen er davon sprach, Heards Leiche verbrennen und danach vergewaltigen zu wollen.
Als «Orgie der Frauenfeindlichkeit» fasst die feministische Autorin Moira Donegan im «Guardian» den Prozess zusammen. «Wir befinden uns in einer Zeit heftiger antifeministischer Gegenreaktionen, und die bescheidenen Errungenschaften, die in dieser Ära erzielt wurden, werden mit einer schadenfrohen Zurschaustellung von Opferbeschuldigung in grossem Stil wieder zurückgenommen.»
Die meisten Übergriffe werden nicht angezeigt
Fakt ist: Auch wenn Amber Heard ihre Anschuldigungen zugespitzt oder tatsächlich erfunden haben sollte, kommen falsch angeschuldigte Vergewaltigungen sehr selten vor. Laut einer US-Studie stellen sich nur 2 bis 10 Prozent aller Vergewaltigungsvorwürfe der letzten 20 Jahre als nicht nachweisbar oder falsch heraus. Die meisten aller Übergriffe werden erst gar nicht angezeigt.
Was das Urteil im Depp/Heard-Prozess für die #MeToo-Bewegung tatsächlich bedeutet, wird sich zeigen. Klar ist: Der toxische Mob von Depp-Fans, der sich in in den sozialen Medien ungezügelter Schadenfreude über die öffentliche Vernichtung seiner Ex-Frau freute, ist für unsere Gesellschaft auch kein Gewinn.