Dass Prinzessin Kate ihre Krebserkrankung in einer Videobotschaft öffentlich machte, war auch mit einem Wunsch verbunden. «Wir hoffen, dass Sie verstehen werden, dass wir als Familie jetzt etwas Zeit, Raum und Privatsphäre brauchen», sagte die 42-Jährige. Dass zuvor wild über ihre Abwesenheit spekuliert worden war, hat nicht nur eine Debatte über die Privatsphäre der Royals ausgelöst, sondern vor allem über den gesellschaftlichen Umgang mit sozialen Medien, wie auch Blick-Royal-Expertin Flavia Schlittler in ihrem Kommentar monierte.
Wie grausam müsse es sein, sich von einer Operation zu erholen und dann zu hören, dass die eigene Abwesenheit verdächtig wirke, schrieb auch Autorin Rachel Cooke (55) in der britischen Zeitung «The Observer». «Wie furchtbar, eine Chemotherapie durchzumachen und zu wissen, dass man – wenn man vor seine Haustür tritt – sehr wahrscheinlich fotografiert wird.»
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Manche sind nun selbstkritisch
Seit Kates Bekanntmachung zeigen sich manche selbstkritisch. Schauspielerin Blake Lively (36) entschuldigte sich für einen geposteten Scherz. In der Zeitung «Independent» schrieb ein Autor, er schäme sich nun dafür, in Verschwörungstheorien geschwelgt zu haben: «Wenn es an dieser ganzen Sache etwas Gutes gibt, dann, dass es uns dazu ermutigen könnte, zweimal nachzudenken, bevor wir uns das Maul zerreissen über das nächste ‹grosse Geheimnis›.»
Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby (68), hatte vergangene Woche bereits dazu aufgerufen, dass jeder Mensch Ruhe verdient habe, wenn er krank ist. Er machte das Internet dafür verantwortlich, dass Gerüchte heute schnell ausufern: «Es ist einfach altmodischer Dorftratsch, der sich nun innerhalb von Sekunden auf der Welt verbreiten kann, und wir müssen uns davon abwenden.»
Kritik an Algorithmen der Plattformen
BBC-Journalistin Laura Kuenssberg (47) fragte einen Experten, wie es in den vergangenen Wochen so weit kommen konnte. Dahinter stehe eine einfache Wahrheit – nämlich, wie Social-Media-Plattformen funktionieren, sagte Imran Ahmed (45), Chef der Organisation CCDH (Center for Countering Digital Hate), die sich gegen Onlinehass engagiert. Er warf den Plattformen vor, kontroverse Inhalte nach oben zu spülen. «Man sieht eine kuratierte Auswahl. Kuratiert von einem Algorithmus», sagte Ahmed. Die Auswahl sei so gestaltet, dass sie möglichst süchtig mache. Es würden Kontroversen, Verschwörungserzählungen, Hass befördert. Es würden auch Beiträge nach oben gespült, mit denen Menschen nicht übereinstimmten und bei denen sie sich denken würden: «Das ist völliger Schwachsinn. Warum sagst du so was?»
Ahmed verwies auf einen psychologischen Effekt, der sich «Illusory truth effect» (Deutsch: «Illusorischer Wahrheits-Effekt») nenne: «Je häufiger wir etwas sehen, desto eher neigen wir dazu, es für wahr zu halten.» Das aber kann in die Irre führen. Nach Meinung von Paddy Harverson (61), einem früheren Berater der Royals, können sich Spekulationen im Netz und die Medienberichterstattung gegenseitig verstärken, das sei ein Teufelskreis. «Und es ist so schlimm, wie ich es noch nicht gesehen habe.»
Kates Video berührt viele Menschen
Die Videobotschaft, die sich weltweit verbreitete, zeigt Prinzessin Kate allein auf einer Bank. Im Hintergrund blühen Narzissen, sie trägt einen gestreiften Pullover und Jeans. Die Schwiegertochter von König Charles III. (75) erzählt, Tests nach ihrer Operation hätten ergeben, dass Krebs vorgelegen habe und dass sie nun vorsorglich Chemotherapie bekomme. Vielleicht geht das vielen Menschen auch deswegen nah, weil sie selbst Erfahrungen mit Krebs gemacht haben – und Kate eine so junge Frau ist, mit drei kleinen Kindern.
Nach Meinung der Autorin Tessa Dunlop (50), die ein Buch über die verstorbene Königin Elizabeth II. (1926–2022) und deren Mann Prinz Philip (1921–2021) geschrieben hat, wird das Video ein prägender Moment für die Königsfamilie werden. «Während alle um sie herum offenbar den Verstand verloren hatten, hielt Kate – im Allgemeinen nicht bekannt für bahnbrechende Ansprachen – die Rede ihres Lebens», meint Dunlop im «Independent». Kate habe mit ihrer gezeigten Menschlichkeit und Zerbrechlichkeit daran erinnert, dass Schmerz keine Hierarchie kenne.
Vergleich mit der jungen Elizabeth
Dunlop verglich das Video mit einer Ansprache der jungen Elizabeth, die sich an ihrem 21. Geburtstag einem Leben im Dienst verschrieben hatte. «Mein ganzes Leben, sollte es kurz oder lang werden», so versprach die damalige Thronfolgerin im Jahr 1947, wolle sie ihren Untertanen widmen. Kate habe in ihrer eigenen Stunde der Not anderen gedankt und sich zuversichtlich an Menschen gewandt, die selbst an Krebs erkrankt sind. Für Grossbritanniens künftige Königin dürfte die Videobotschaft nun Teil ihrer Geschichte werden. (SDA/las)