Sie ist die wohl berühmteste Puppe der Welt und mindestens so bekannt wie andere US-Ikonen wie Micky Maus oder Coca-Cola: Die Rede ist von Barbie. Die blonde Kult-Puppe ist wegen der gleichnamigen Realverfilmung, die seit Donnerstag in den Schweizer Kinos läuft, aktuell in aller Munde. Nicht so geläufig ist allerdings der Name ihrer Schöpferin: Ruth Handler (1916–2002). Die hat in ihrem langen Leben aber viel mehr kreiert als nur ein berühmtes Kinderspielzeug.
Ruth Handler wird 1916 als Ruth Mosko in Denver im US-Bundesstaat Colorado geboren. Sie ist das jüngste von zehn Kindern. Ihre Eltern sind polnische Juden, die ihre Heimat aufgrund immer wiederkehrender Verfolgung verlassen. Eine von Ruths Schwestern betreibt mit ihrem Mann einen kleinen Laden, in dem Ruth schon früh mitarbeitet. Die Unternehmerin war sich später sicher, dass sie damals ihren goldigen Geschäftssinn entwickelte.
Mehr zu Barbie
Gründung von Mattel
1938 heiratet Ruth Mosko ihren Schulfreund und Designstudent Elliot Handler (1916–2011). Mit ihm gründet sie dann in einer Garage auch ihre erste Firma. Besonders gut verkaufen sich die Puppenmöbel und die Plastikgitarre Uke-a-Doodle, der Kinder echte Musiktöne entlocken können. Ihren Erfolg feiern Ruth und Elliot Handler, indem sie mit ihrem Kollegen Harold Mattson, genannt Matt, eine neue Firma gründen. Aus «Matt» plus «El» entsteht schliesslich Mattel. Ruth verzichtet auf das Beifügen ihres Namens.
Das Geschäft läuft so gut, dass sich Ruth Handler als junge Mutter Ferien in der Schweiz leisten kann. Und genau dort, in einem Spielzeugladen in Luzern, macht sie eine Entdeckung, die ihr Leben und das von Millionen von Kindern weltweit ändern wird: Sie sieht im Schaufenster eine Mädchenpuppe namens Lilli, die sie für ihre Tochter Barbara kauft. Da Handler gern Papierpuppen bastelt, die sie als Schulmädchen oder Geschäftsfrauen stylt, hat sie die Idee, der Welt eine Puppe zu schenken, die man ebenfalls beliebig stylen und kleiden kann – und die – das war ihr besonders wichtig – wie eine erwachsene Frau aussieht. Für «Barbie» – benannt nach Tochter Barbara – scheut sie keine Kosten. Handler beschäftigt mehrere Haarstylisten, die die Frisur der Puppe entwerfen. Für die ersten 20 Outfits, die von Tennisrock bis Abendkleid umfassen, engagiert sie eine Modedesignerin.
Barbie wird zum Verkaufshit
«50 Prozent unserer Einkäufer waren dagegen. Ich glaube, viele hatten Angst, dass Mütter keine Puppe mit einem Frauenkörper kaufen würden», erklärt Handler einst in einem Interview. «Natürlich hatten sie unrecht.» Und wie! Die Barbiepuppe, die Mattel 1959 erstmals auf der Spielzeugmesse in New York präsentiert, wird zum Verkaufshit. Innerhalb des ersten Jahres verkauft Mattel nach eigenen Angaben rund 300'000 Exemplare.
Doch Handlers Plastikpuppe mit den grossen Brüsten und den langen Beinen erntet auch viel Kritik – bis heute. Barbies dünne, makellose Figur fördere oberflächliche, sexistische Werte und ein ungesundes Körperideal, heisst es. Manche Eltern weigern sich, ihrem Nachwuchs eine Barbie zu kaufen. Dennoch ist der Aufstieg der blonden Puppe nicht mehr zu bremsen. 1968 ist Mattel mit einem Umsatz von 100 Millionen Dollar der grösste Spielzeughersteller weltweit. Bis heute wird Barbie jährlich millionenfach verkauft.
Handler gründet neue Firma für Brustimplantate
Ruth Handler selbst kann die kritischen Stimmen an ihrer Schöpfung zeitlebens nicht verstehen. Sie halte es für wichtig für die Entwicklung des weiblichen Selbstwertgefühls, dass Mädchen mit Puppen spielen, die einen Busen haben, erklärt sie. Die persönliche Glückssträhne der Unternehmerin endet 1970 allerdings. In diesem Jahr wird bei Barbies Schöpferin Brustkrebs diagnostiziert, sie muss sich eine Brust amputieren lassen. Handler und ihr Mann ziehen sich kurz darauf aus der Firma zurück. Nach einem Rechtsstreit mit einem Mattel-Verantwortlichen gründet Ruth Handler mit Nearly Me aber eine neue Firma, die Brustimplantate produziert. Durch ihr eigenes Schicksal war ihr aufgefallen, dass passende Implantate eine Marktlücke sind. Auch dieses Unternehmen wird ein Erfolg. «Zwei Vermögen mit Plastikbrüsten» fasst daraufhin die New Yorker Zeitschrift «Village Voice» Handlers Erfolgsgeschichte scherzend zusammen.
2002 stirbt die Barbie-Schöpferin im Alter von 85 Jahren. Und obwohl sie viel mehr auf den Markt gebracht hat als die blonde Kinderpuppe, wird sie wohl für immer die Barbie-Schöpferin bleiben. Barbie selbst erlebt 60 Jahre nach ihrer Lancierung aktuell dank des Kinofilms von Greta Gerwig (39) eine Image-Korrektur, die sie vom einst sexistischen Spielzeug zur Feminismus-Ikone macht.