Ukrainischer Geheimdienstchef zu Putins Atom-Drohung
«Unser Nachbar ist irre – und hat nukleare Waffen»

Wird Russland den Staudamm in Kachowka sprengen? Was sind die nächsten Schritte im umkämpften Cherson? Und welche Rolle spielt Surowikin? Der ukrainische Generalmajor gibt Antworten.
Publiziert: 26.10.2022 um 18:39 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2022 um 18:41 Uhr
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Der ukrainische Generalmajor Kyrylo Budanow zählt zu den grossen Nummern im ukrainischen Militär.
Foto: defence-ua.com

Er zählt zu den grossen Helden im ukrainischen Militär: Kyrylo Budanow (36) ist Nachrichtendirektor im ukrainischen Verteidigungsministerium und Generalmajor. Seit Monaten kämpft er strategisch an vorderster Front gegen das russische Militär. Jetzt sagt er in einem Interview mit dem Nachrichtenportal «Pravda»: «Die Russen attackieren keine Militärobjekte, sondern nur Zivilisten.»

Budanow ist überzeugt, dass Russland vor allem ein Ziel hat: Panik verbreiten. «Panik und Angst sind die wichtigsten Waffen des Terrors», sagt er. Das Ziel sei es, erst die Energieversorgung im Land zu zerstören, danach sollen auch Stromexporte aus der Ukraine gestoppt werden, um das Land in den wirtschaftlichen Ruin zu stürzen. «Der Traum Russlands ist es, die Ukraine in völlige Dunkelheit und einen kalten Winter zu lassen.» Budanow ist aber überzeugt: So weit wird es nicht kommen. Noch sei die Situation nicht kritisch.

Allerdings warnt der Geheimdienstchef, dass die iranischen Shahed-Drohnen noch über längere Zeit ein Problem für die Ukraine darstellen können. «Wie man sieht, halten die Flugabwehrsysteme aber bislang stand, 70 Prozent der Drohnen werden abgeschossen», relativiert der Major. Die Drohnen könne Russland zwar nachbestellen. Raketen hingegen dürften im Arsenal der Kreml-Truppen langsam knapp werden.

Wenn die Krim wieder zur Ukraine gehört, wird es keine Brücke mehr geben

Seit der Explosion auf der Krim-Brücke Anfang Oktober ist zudem noch immer nicht geklärt, wer für die teilweise Sprengung verantwortlich war. Auch Budanow will diese Frage nicht beantworten. «Die Brücke ist ein Symbol der ‹russischen Welt›», sagt der 36-Jährige stattdessen. «Wenn wir die Krim zurückerobern, wird die Krim-Brücke nicht mehr existieren.»

Budanow spricht ebenfalls von dem Strategiewechsel des russischen Militärs. Dieser hängt auch mit dem Obergeneral Sergei Surowikin (56) zusammen. «Surowikin darf weder unterschätzt noch überschätzt werden», meint Budanow. Angst habe man nicht. «Sie werden hier niemanden mit Grausamkeiten überraschen», so der ukrainische General. «Es gibt zu viele Opfer, zu viel Zeit ist vergangen, die Menschen haben sich an die Explosionen, die Morde und die Toten gewöhnt.» Surowikin, der auch General Armageddon genannt wird, könne den Ukrainern keine Angst machen.

Russland hat zu viel zu verlieren

Auch der mögliche Stellungskrieg rund um Cherson beschäftigt den Generalmajor. Noch ist völlig unklar, ob die in Bedrängnis geratenen Russen aus der Stadt abziehen oder diese verteidigen werden. Budanow ist überzeugt: «Die Russen bereiten sich nicht darauf vor, sich zurückzuziehen, sondern wollen die Stadt verteidigen.» Das russische Militär evakuiere die Menschen, um sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Trotzdem ist er überzeugt, dass Cherson bis Ende des Jahres wieder unter ukrainischer Kontrolle sein werde.

Nach Angaben der Ukraine wurde der Staudamm des Wasserkraftwerks Kachowka vermint. Experten befürchten, dass die Russen den Staudamm sprengen könnten. «Es ist sehr schwierig, die Dummheit der Russen mit Logik zu evaluieren», so Budanow. Der Generalmajor ist überzeugt: Eine Sprengung würde Russland eher schaden als nützen. So würde die Damm-Zerstörung das Atomkraftwerk in Saporischschja komplett zerstören. Dieses Risiko wolle Russland nicht eingehen.

Russland habe bislang keines der gesetzten strategischen Ziele erreicht, sagt Budanow. Und auch die russische Bevölkerung verstehe, was in der Ukraine passiere.

Die Angst vor einer möglichen Atombombe Russlands auf ukrainischem Gebiet hält der ranghohe Militär für unbegründet. «Das werden sie ganz sicher nicht tun», sagt er. Russland habe schon immer Atomwaffen besessen, die Gefahr bleibe dieselbe. Die Gefahr eines Atomschlags sei also immer zu einem gewissen Grad vorhanden. «Unser Nachbar hat diese nuklearen Waffen – und ist ein bisschen irre». (jwg)

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