Am 13. Juni 2023 informiert die Walliser Kantonspolizei über eine schwerverletzte Person in Haute-Nendaz VS. In der Nähe der Route de L'Antenne hat ein Passant gegen 19 Uhr einen in der Region wohnhaften Afghanen entdeckt. Trotz medizinischer Versorgung und Wiederbelebungsversuche stirbt der Mann († 24) noch vor Ort.
Recherchen von Blick zeigen nun: Der Verstorbene wurde umgebracht! Dringend tatverdächtig sind ein Mann und eine Frau, die zum Tatzeitpunkt im deutschen Braunschweig wohnen. Das Liebespaar soll einen mörderischen Tagestrip ins Wallis gemacht haben, um hier sein Opfer in eine tödliche Falle zu locken.
Die beiden bleiben bei ihrer Aktion nicht unerkannt. Denn schon wenige Tage nach der Tat, am 23. Juni 2023, stellen die Walliser Behörden einen Haftbefehl für Katja K.* (25) aus. Die Polin wurde gesucht wegen Mordes. Der Haftbefehl liegt Blick vor.
U-Haft im Wallis und in Braunschweig
Die junge Frau wird erst Mitte Januar 2024 im deutschen Braunschweig festgenommen, kommt dort in Untersuchungshaft. Warum die Handschellen nicht schon vorher klickten: unklar. Fest steht: Im Februar wird sie dann an die Schweizer Justiz ausgeliefert. Seitdem sitzt die Frau in Sitten VS in Untersuchungshaft. Mehr Details sind von offizieller Seite nicht zu erfahren, denn die Walliser Behörden schweigen zur Angelegenheit. «Aufgrund des laufenden Verfahrens können wir keinerlei Auskünfte geben», teilt die Walliser Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage von Blick mit.
Zeitgleich mit Katja K. wird auch ihr damaliger Lebensgefährte Ahmad L.*, ein Deutscher mit Wurzeln in Afghanistan, verhaftet. Er soll einer der Drahtzieher hinter dem Mordanschlag ein halbes Jahr zuvor im Wallis gewesen sein. Christian Wolters, Oberstaatsanwalt in Braunschweig, sagt zu Blick: «Ich kann bestätigen, dass wir in Braunschweig ein Ermittlungsverfahren gegen einen deutschen Staatsbürger wegen des Verdachts des Mordes führen. Die Tat soll sich im Juni 2023 in Haute-Nendaz im Wallis ereignet haben.»
Der 24-jährige Beschuldigte befinde sich seit Januar 2024 in Untersuchungshaft. Weitere Details zu den Tatvorwürfen könnten erst nach Abschluss der Ermittlungen preisgegeben werden, so Oberstaatsanwalt Wolters weiter. «Das wird vermutlich noch etwa drei Wochen dauern.»
Tagestrip für einen Mord
Während sich die Behörden weiterhin zurückhaltend geben, hat Stefan I.* (55) umso mehr Redebedarf. Der Deutsche ist der Stiefvater von Katja K.
I. erklärt die Beteiligung seiner Stieftochter an dem Mord mit der Liebe zu Ahmad L. «Ahmad sagte zu Katja, dass er in der Schweiz Bekannte besuchen wolle. Die beiden fuhren darum mit Katjas Auto nach Haute-Nendaz. Sie dachte sich nichts dabei.»
An der grossen Antenne ausserhalb des Dorfs angekommen, sei Ahmad dann aus dem Auto gestiegen und verschwunden. Katja K. habe auf ihn gewartet. «Einige Zeit später rief jemand meine Stieftochter an und sagte, dass sie ihren Lebenspartner ein paar hundert Meter weiter wieder abholen solle», erzählt I. weiter. Anschliessend fahren die beiden direkt wieder nach Deutschland zurück. «Meine Stieftochter hatte keine Ahnung, dass ihr Freund gerade jemanden umgebracht hat», beteuert Stefan I., sagt aber auch: «Dass sie verhaftet wurde, ist klar, immerhin war sie in der Nähe und es war ihr Auto. Aber Katja hatte nichts damit zu tun.»
Blutrache als Motiv?
Die Ermittler sollen auf die Spur der beiden gekommen sein, weil beim Toten das Handy von Ahmad L. gefunden worden sei, wie Stefan I. erklärt.
Auf dem Handy sollen Chats mit einer Tante von Ahmad L. in Afghanistan gefunden worden sein. «Die Tante hat Ahmad mit dem Mord beauftragt», so I. Das Motiv: Blutrache!
I. führt aus: «Offenbar gab es in Afghanistan Streit zwischen den Familien von Ahmad und der des Opfers. Es soll jemand getötet worden sein, weshalb Ahmad aus Rache mit dem Mord beauftragt wurde.» Von Seite der Behörden lassen sich diese Informationen nicht bestätigen, auch nicht, welche Rolle ein zweiter Tatverdächtiger spielt, der ebenfalls in Sion in Untersuchungshaft sitzen soll. «Das Opfer wurde zur Antenne gelockt und dort getötet, ohne dass meine Stieftochter davon wusste», bekräftigt Stefan I. Er hofft, dass Katja K. bald freikommt. Der Pflichtverteidiger von Katja K. wollte sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur Angelegenheit äussern. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Kritik an Walliser Behörden
Unterdessen wirft Stefan I. der Walliser Justiz vor, die Rechte seiner Tochter zu wenig zu respektieren. «Katja spricht nur Polnisch, ihr Pflichtverteidiger nur Französisch. Darum haben wir ihr eine mehrsprachige Anwältin besorgt», sagt der Stiefvater der Verdächtigen. Die Anwältin hätte die Hauptverteidigerin von K. werden sollen, doch die Walliser Staatsanwaltschaft lehnte dies ab. Das entsprechende Schreiben liegt Blick vor.
Stefan I. versteht die Haltung der Walliser Justiz nicht und er ärgert sich: «Der Pflichtverteidiger war nur zwei Mal bei meiner Stieftochter, informiert unsere Anwältin nur halbherzig. Das ist ein Riesen-Nachteil für Katja und es gibt keinen Grund, dass unsere Anwältin abgelehnt wurde.»
Warum die Walliser Staatsanwaltschaft die Anwältin nicht als Hauptverteidigerin zugelassen hat, liess die Behörde auf Anfrage von Blick ebenfalls unbeantwortet.
* Namen geändert