Ist Pink Cross zu woke? Bürgerliche wollen austreten
Zoff im Schwulen-Verband

Bürgerliche Mitglieder kritisieren den Kurs des Schwulen-Dachverbandes. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann sieht sich «von linken Ideologen» unfair behandelt – und droht mit Austritt.
Publiziert: 05.05.2024 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2024 um 10:19 Uhr
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Foto: KEYSTONE
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Lino SchaerenRedaktor

Hans-Peter Portmann (61) ist nicht gut auf Pink Cross zu sprechen. Der Schweizer Schwulenverband sei von linken Ideologien unterwandert, schimpfte der Zürcher FDP-Nationalrat auf X. Seine Wut entfacht hat ein Rating zur Queerfreundlichkeit der Parlamentsmitglieder, das Pink Cross vor den Nationalratswahlen im Herbst veröffentlichte – bei dem Portmann, selbst homosexuell, nicht gerade ein lupenreines Zeugnis ausgestellt wurde.

Der Verband hatte das Abstimmungsverhalten der Parlamentsmitglieder bei Geschäften ausgewertet, die aus seiner Sicht für die LGBTQ-Gemeinschaft wichtig sind. Portmann wich in mehreren Punkten vom gewünschten Profil ab. So stimmte er etwa für ein Verbot von geschlechtsneutraler Sprache an Hochschulen. Dass ihm das als queerfeindlich ausgelegt wird, akzeptiert der Freisinnige nicht: «Beim Gendern geht es nicht um die Rechte von Queeren, das ist eine gesellschaftliche Frage.»

Portmann wurde zwar immer noch als zu 72 Prozent LGBTQ-freundlich eingestuft – blieb damit aber weit hinter Vertretern von SP, Grünen und GLP zurück, die allesamt Bestnoten erhielten.

Treten bürgerliche Lobbyisten aus?

Die Retourkutsche des langjährigen FDP-Nationalrats folgte vor einer Woche an der Generalversammlung des Vereins Network, einer Art Rotary Club für schwule und bisexuelle Männer. Network wendet sich vor allem an Führungskräfte, agiert seit fast 30 Jahren im Hintergrund und diente der queeren Gemeinschaft wiederholt als Türöffner in wirtschaftsnahe und bürgerliche Kreise.

Portmann forderte an der Network-GV, einen Austritt aus dem Schwulenverband zu prüfen. «Pink Cross soll sich auf die Grundaufgabe konzentrieren, gleiche Rechte für unsere Community zu erkämpfen», so Portmann. «Doch leider verstehen sich die Funktionäre nicht mehr nur als Schwulen-, sondern auch als Menschenrechtsorganisation und vertreten in vielen Themen eine parteiisch linke Politik.» Die Generalversammlung folgte ihm prompt.

Keine Frage: Portmann, der sich seit Jahren für die gesetzliche Gleichstellung von queeren Menschen in der Schweiz engagiert, fühlte sich durch die Bewertung von Pink Cross verletzt.

Ganz ähnlich wie sein Parteikollege, Nationalrat Damien Cottier (49), der im Rating ebenfalls als zu 72 Prozent queerfreundlich taxiert wurde. Seine Kritik: Man habe einzig geschaut, wer bei ausgewählten Abstimmungen den «richtigen» Knopf drücke, persönliches Engagement werde ausgeblendet. Cottier war 2021 kurzzeitig Vorstandsmitglied bei Pink Cross. Als er 2022 FDP-Fraktionspräsident wurde, gab er das Amt aus Zeitgründen ab. Vor ein paar Wochen, so der FDP-Mann, sei er bei Pink Cross ausgetreten.

Cottier macht sich Sorgen um den Zusammenhalt in der Community: «Wenn sich Menschen rechts der politischen Mitte von einem Verband nicht mehr abgeholt fühlen, schwächt das die Schlagkraft der ganzen Gemeinschaft.»

«Ein Austritt wäre der Worst Case»

Andreas Künzler (38) teilt diese Sorgen. Der Network-Präsident warnt: «Wir dürfen uns nicht zerstreiten innerhalb der Community.» Er verweist auf die AfD in Deutschland oder die Fratelli d’Italia von Präsidentin Giorgia Meloni (47). Die populistischen Strömungen in Europa sollten Warnung genug sein: «Gewinnen sie die Oberhand, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Rechte der queeren Gemeinschaft eingeschränkt werden.»

Künzler muss jetzt klären, ob Network bei Pink Cross weiter mitmachen will. Dass es tatsächlich zum Bruch kommt, glaubt er nicht. «Ein Austritt wäre das absolute Worst-Case-Szenario.» Er will deshalb das Gespräch suchen, um einen gemeinsamen Weg zu finden.

Bei Pink Cross nimmt man die Angriffe gelassen. Geschäftsleiter Roman Heggli (33) verweist auf eine Umfrage zur politischen Positionierung des Verbandes von 2023. Rund zwei Drittel der Befragten seien damit einverstanden. Dass Pink Cross vom Kurs abgekommen sei, treffe also nicht zu. Aber einmischen dürften sich alle – auch Portmann.

Die Kritik am Kurs von Pink Cross sei heute nicht grösser als früher, glaubt Heggli. Nachdem die Forderung nach einer Ehe für alle die Community stark vereint habe, ist es aus Sicht von Heggli normal, dass Diskussionen um Ziele und Positionierungen geführt werden: «Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir alle dieselben politischen Haltungen vertreten, nur weil wir schwul sind.» Ziel sei es, möglichst viele Positionen abzuholen – und darüber wolle der Dachverband mit Network und Portmann sprechen.

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