Ab 1. Juli erlaubt, aber …
Run auf die «Ehe für alle» bleibt aus

In Bern planen knapp 50 gleichgeschlechtliche Paare, sich bald das Ja-Wort zu geben, im Wallis 15 und im Appenzell gar niemand: Der Run auf die Ehe für alle hält sich in Grenzen.
Publiziert: 24.06.2022 um 10:23 Uhr
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Aktualisiert: 24.06.2022 um 10:58 Uhr
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Das Volk hat letzten Herbst grünes Licht gegeben: Ab 1. Juli dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten.
Foto: keystone-sda.ch

Hunderte von Paaren landauf und landab wollen nach dem Volks-Ja zur Ehe für alle in den nächsten Wochen ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Nur relativ wenige gleichgeschlechtliche Paare planen hingegen, nach der Gesetzesänderung in nächster Zeit zu heiraten.

Wie viele gleichgeschlechtliche Paare den neuen rechtlichen Rahmen nutzen werden, lässt sich laut den Bundesbehörden und dem Schweizerischen Verband für Zivilstandswesen nicht abschätzen. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in verschiedenen Regionen zeigt, dass ein Run von heiratswilligen gleichgeschlechtlichen Paaren auf die Zivilstandsämter, wie er Anfang 2007 nach der Einführung der registrierten Partnerschaft feststellbar war, ausbleiben wird.

Run auf registrierte Partnerschaft

Im Jahr 2007 hatten 2004 Paare diese Möglichkeit genutzt. Bereits im Jahr darauf waren es nur noch 931 gewesen. In den letzten Jahren schwankte die Zahl der jährlich neu eingetragenen Partnerschaften schweizweit in der Regel zwischen 650 und 730. Der bisher tiefste Wert mit 579 eingetragenen Partnerschaften wurde laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik im vergangenen Jahr registriert.

Nicht überrascht vom Rückgang zeigt sich Pink Cross-Geschäftsführer Roman Heggli. Viele gleichgeschlechtliche Paare hätten 2021 keine eingetragene Partnerschaft beantragt, weil sie die Gesetzesänderung abwarten wollten, so der Schweizer Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer.

Nur wenig neue Ehen

Die Umfrage von Keystone-SDA hat gezeigt, dass einige hundert eingetragene Partnerschaften ab dem 1. Juli in Ehen umgewandelt werden. Neue Ehen eingegangen werden jedoch deutlich weniger.

Dass vor allem eingetragene Partnerschaften umgewandelt werden, erklärt Heggli damit, dass viele Schwule und Lesben, denen ein rechtlicher Status wichtig sei, bereits in eingetragenen Partnerschaften leben. Vielen Menschen der LGBT-Gemeinschaft sei die Möglichkeit der Ehe zudem kein persönliches Bedürfnis, sondern vor allem als Zeichen der Gleichberechtigung wichtig. Ein Vorteil der Ehe sei es, dass sich im Gegensatz zur eingetragenen Partnerschaft die Betroffenen nicht bei jedem Vertragsabschluss outen müssten.

Heiraten braucht Zeit

Die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) sieht die Vorteile der Ehe für alle für gleichgeschlechtliche Paare insbesondere bei der Familienplanung und Einbürgerung. Es sei auch gut möglich, dass der Anstieg von gleichgeschlechtlichen Ehen erst ab 2023 stattfinden werde, denn eine Hochzeitsplanung könne durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen.

Laut der LOS ist es auf einigen Ämtern nicht klar gewesen, dass Anmeldungen bereits vor dem 1. Juli möglich waren. Man habe mehrfach Paare beraten müssen, die in einem ersten Schritt bei ihrer Gemeinde aufgelaufen seien, sagt Co-Geschäftsleiterin Alessandra Widmer. Und schliesslich brauche ein solcher Kulturwandel auch seine Zeit. Gleichgeschlechtliche Paare müssten sich «die Option Ehe bis zu einem Punkt nun auch aneignen».

Mehr Umwandlungen als neue Ehen

In der Stadt Zürich leben rund 1400 Paare in eingetragenen Partnerschaften. Das Zivilstandsamt der Stadt hat bisher für dieses Jahr über 230 Terminreservationen von gleichgeschlechtlichen Paaren erhalten. In den weitaus meisten Fällen wollen Paare die eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Der Anteil an neuen Ehen liegt bei ungefähr zehn Prozent.

Innert kürzester Zeit war der 1. Juli als Hochzeitstermin in der Stadt Zürich ausgebucht: 26 gleichgeschlechtliche Paare werden dann auf dem Zivilstandsamt ihre Ehe besiegeln. Ab August gibt es aber wieder viele freie Termine. Im Kanton Zürich wurden in den 24 Zivilstandsämtern im vergangenen Jahr 178 eingetragene Partnerschaften begründet.

Appenzeller wollen nicht

Die Umfrage gibt überall ein ähnliches Bild, ob in Basel-Stadt (50 Umwandlungen, neun Ehen), dem Baselbiet (je 16 Anmeldugnen) oder den Kantonen Luzern (30 Umwandlungen, 20 Ehen) oder Bern (147 Umwandlungen, 47 Umwandlungen).

Im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr gleichgeschlechtliche Ehen als im Kanton Bern werden nach den bisher vorliegenden Zahlen in den nächsten Monaten im Wallis geschlossen: 14 Eheschliessungen und 30 Umwandlungen von eingetragenen Partnerschaften in Ehen sind gebucht.

In ländlichen Regionen ist die Nachfrage erwartungsgemäss gering. Aus Bündner Zivilstandsämtern werden nur vier Anmeldungen für Umwandlungen verzeichnet, in Uri deren zwei sowie zwei neu Hochzeitstermine. Noch gar keine Anmeldungen gab es bisher im Zivilstandsamt Appenzell. (SDA/gbl)

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