Frischer Wind bei den Reformierten
Queerer Aktivist kommt in die Kirchen-Exekutive

Mit Michel Rudin ist ab 2024 erstmals ein queerer Aktivist Mitglied des Rats der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. Der ehemalige Co-Präsident der Schwulenorganisation Pink Cross deutet seine Wahl als Zeichen.
Publiziert: 08.11.2023 um 12:01 Uhr
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Michel Rudin erklärt die Annahme der Wahl. Er ist frisch gewähltes Mitglied des Rats der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz.
Foto: Christoph Knoch/EKS
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Sieben Mitglieder zählt der Rat der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) – und das ist nicht die einzige Parallele zum Bundesrat: Auch dieser Rat agiert als Exekutive; er ist das leitende und vollziehende Organ der EKS. 

Das Kirchparlament, die Synode, wählte Anfang Woche in einer Ersatzwahl neben dem Pfarrer Florian Schubert aus dem Kanton Neuenburg auch Michel Rudin (38) aus Luzern in den EKS-Rat. Keinen Pfarrer, keinen Insider, keinen, der jahrelang schon Ämter in der Kirche innehatte. Als «Brückenbauer mit Aussenperspektive» und mit Netzwerk in Politik und Wirtschaft wurde Rudin zur Wahl empfohlen.

Brückenbauer in die queere Community

Früher, als Co-Präsident von Pink Cross, der Dachorganisation der schwulen und bisexuellen Männer in der Schweiz, baute er Brücken in bürgerliche Kreise hinein. Er war mitverantwortlich für die Initiative «Ehe für alle» und die «Antidiskriminierungs-Initiative».

Jetzt soll das Brückenbauen in die umgekehrte Richtung gelingen. In der queeren Community gebe es Verletzungen, Kritik und Vorurteile gegenüber der Kirche. Rudin sagt: «Jetzt will ich aufzeigen, dass die Evangelisch-reformierte Kirche offen ist für queere Personen.» 

Die Synode ist die Legislative der EKS. 50 von 69 Abgeordneten gaben Michel Rudin ihre Stimme.
Foto: Christoph Knoch/EKS

Zwar unterstützte die Landeskirche den Abstimmungskampf zur «Ehe für alle». Nun folgten den Worten die Taten. «Mit meiner Wahl setzt die Kirche ein Zeichen, dass engagierte queere Menschen hier ein Zuhause haben», sagt Michel Rudin. Er selbst ist Kirchenmitglied und auch regelmässig in der Kirche anzutreffen. 

Sich selbst als Vorbild zu bezeichnen – das liegt ihm nicht. Doch für viele aus der queeren Community dürfte er in seiner Rolle als Pionier eines sein. «Vor 20 Jahren wäre es noch nicht denkbar gewesen, dass ein queerer Aktivist ein solches Amt bekleidet», sagt Rudin.

Ein Selfie mit Freund Remo Sailer (links) am Rand der Herbstsynode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz am 6. November 2023.
Foto: zVg

Sein Freund Remo Sailer (24) sass während des Wahlprozederes in Bern neben ihm und posierte für ein Selfie mit ihm. «Es war sehr schön, dieses Erlebnis mit meinem Freund zu teilen», sagt Rudin.

Beruflich hat er selbst verschiedene Hüte auf: Er amtet als Co-Präsident der GLP im Kanton Luzern, ist Gründer der NGO Swiss Diversity, Mitinhaber der Kommunikationskanzlei Agon Partners, berät in Diversity Management und ist Verwaltungsrat eines Gastro-Unternehmens. All diese Perspektiven bereicherten seinen Blick von aussen auf kirchliche Belange, glaubt er. 

Sein Interesse am Amt begründet er mit der Einflussmöglichkeit: «Es ist wichtig, dass Menschen, die sich mit Vielfalt auseinandergesetzt haben und selbst Teil einer Minorität sind, sich in Organisationen engagieren, die eine grosse Wirkung haben können.» Erreichen könne man die etwa zwei Millionen Mitglieder der EKS nicht nur am Sonntag im Gottesdienst, sondern auch über soziale Projekte und über die Seelsorge. Dass ein Aussenseiter wie er mit 50 von möglichen 69 Stimmen der Synode gewählt wurde, deutet Michel Rudin als Zeichen: «Man will einen Wandel.»

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