Ein neues Schuljahr steht bevor – und damit einmal mehr der Lehrermangel. Doch rasante Entwicklung von selbstlernenden Algorithmen – besser bekannt als Künstliche Intelligenz, kurz KI – könnte diese künftig ersetzen. Zumindest zum Teil.
Denn zahlreiche Studien beweisen: Schüler, die in naturwissenschaftlichen Fächern durch eine Künstliche Intelligenz satt durch einen klassischen Lehrer trainiert werden, erzielen bei diesen Prüfungen signifikant bessere Ergebnisse.
Werden Lehrer aus Fleisch und Blut bald überflüssig? «Ganz klar nein!», sagt Beat Schwendimann (48) vom Schweizer Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer «LCH». «Der Beruf hat sich immer schon verändert und weiterentwickelt, genau wie die Gesellschaft.» Zudem sei dem Lehrberuf historisch gesehen schon mehrmals ein Verschwinden prophezeit worden: «Das war auch der Fall, als das Fernsehen, der Computer oder das Internet populär wurden.»
KI kann Bildung individualisieren
Schwendimann sieht die generative KI nicht als potenziellen Lehrer-Ersatz, sondern als Ergänzung und als Werkzeug für den Unterricht: «Eines der grossen Versprechen in der KI-Forschung ist die Individualisierung des Bildungswesens», sagt er.
Denn eine KI könne Stärken und Schwächen eines Kindes erkennen und die gestellten Aufgaben anpassen, etwa bei Mathe-Aufgaben: «Diese werden erfolgreicher gelöst, wenn der Inhalt der Aufgabe einem Interesse des einzelnen Kindes entspricht», weiss Schwendimann. «So kann sich die gleiche Aufgabe um Autos, Pflanzen oder Tiere drehen, je nachdem, was das Kind lieber mag.»
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Mit Algorithmus zur «idealen» Klasse
Während die Wachablösung von Lehrpersonen durch künstliche Intelligenz also noch in weiter Zukunft liegt, falls es denn überhaupt je geschieht, leisten Algorithmen schon heute nützliche Dienste im Schulalltag.
In Uster im Kanton Zürich etwa werden Klassen durch ein Computerprogramm zusammengestellt. Die Idee dahinter sei einfach, sagt Oliver Dlabac (43), Gründer des Start-ups «Ville Juste». Seine Firma arbeitet mit einem Algorithmus, der für eine gute soziale Durchmischung in Schulhäusern sorgt. Dlabac: «Studien belegen, dass in sozial heterogenen Klassen die Bildungschancen für alle Schülerinnen und Schüler steigen.» Im Idealfall liege der Anteil an Schülern aus sozial schwächerem Umfeld in einer Schulklasse bei rund 20 Prozent.
«Unser Algorithmus setzt hier an und bricht mit den Quartiergrenzen, die bisher festlegten, welcher Schüler welchem Schulhaus zugeteilt wird», erklärt Dlabac. Der Algorithmus errechne, wie man die Durchmischung in Schulhäusern nivellieren könne, ohne dass sich der Schulweg der Kinder signifikant verlängere.
Algorithmus erhöht Chancengleichheit
Der Algorithmus scheint zu funktionieren. In Uster ist man derart zufrieden, dass sie eine Testphase verkürzt hat und in Zukunft fix auf diese technische Hilfe setzen wird. «Wir sind überzeugt davon, für uns gibt keinen Weg zurück!», sagt Patricia Bernet (52) Präsidentin der Primarschulpflege in Uster.
Der Algorithmus erhöht nicht nur die Chancengleichheit, sondern verringert auch gleich noch den administrativen Aufwand. Die Klassenzuteilung und Zusammensetzung der Schulhäuser nimmt viel Zeit in Anspruch und ist sowohl für Lehrpersonen als auch für Schüler und Eltern hochemotional: «Man ist damit bis zu zehn Monate im Jahr beschäftigt», sagt Bernet.
Was früher mit Zettelchen und Exceltabellen gemacht werden musste, sei heute deutlich einfacher: «Wir füttern den Computer mit Informationen, und dieser erstellt danach innerhalb von Sekunden einen Vorschlag.»
Selbst das zeitraubende, manuelle Eintragen der Informationen zu den Schülerinnen und Schülern könnte in Zukunft wegfallen. «Je nachdem, auf welche Daten der Algorithmus Zugriff hat, könnte das vollautomatisch ablaufen», so Oliver Dlabac. Theoretisch wäre es denkbar, das Programm automatisch mit Steuerdaten, Personen- und Leistungsdaten zu speisen, sodass die Zusammenstellung der Klassen in wenigen Klicks erfolgen könnte.