Sie flirten jeden Tag online mit Männern, die sie hassen. In der Hoffnung, dass ihre Opfer wichtige Informationen preisgeben, die im Kampf gegen die Besatzer helfen. Die gehassten Männer, das sind russische Soldaten. Stress und Angst an der Front erweichen offenbar die Herzen von vielen. Wenn sie mit einer attraktiven jungen Frau chatten, schicken sie auch mal vertrauliche Informationen und Fotos – manchmal vom Camp, wo sie stationiert sind, oder sogar von einem Militärpass, der Aufschluss über eine Einheit gibt.
Ukrainische Spezialisten kreieren offenbar mit Künstlicher Intelligenz (KI) falsche Profilbilder, die auf Dating-Apps in den von Russen besetzten Gebieten zu sehen sind. Demnach wurden damit bereits Dutzende verzweifelter russischer Soldaten in die sogenannte «Honigfalle» gelockt: In ihrer Verzweiflung an der Front können sie dazu gebracht werden, wichtige Militärinformationen auszuplaudern – so über Truppenbewegungen und -zahlen, Marschbefehle, Versorgungsprobleme und vieles mehr.
Sich um die Unerfahrenen kümmern, nicht um «die Geilen»
Die «falschen Mädchen» haben es insbesondere auf unerfahrene und sensible Rekruten abgesehen, die unbedingt über ihre Erfahrungen im Krieg reden wollen. An den « Geilen», sagen die Mädchen ihren russischen Chat-Partnern gemäss «The Times» unter Berufung auf ukrainische Quellen, habe man kein Interesse. Diese wollten nur über Sex reden – und geben so keine Infos preis.
Kein Mitleid
Im Gespräch mit der Zeitung sagen zwei junge Frauen, dass sie mit ihren Opfern kein Mitleid haben. «Sie kommen in mein Land und wollen mein Volk töten», sagt eine. Ihr Bruder sei beim Ausbruch des Kriegs gefallen, ihr Vater stehe derzeit im Einsatz.
Die Honigfallen-Taktik ist keinesfalls neu. Bereits im März 2019 – mehr als drei Jahre vor Kriegsbeginn – behauptete eine russische Überläuferin, sie habe sich in einen ukrainischen Spion verliebt. Sie habe ihm Schlachtpläne für eine geplante Invasion in der Ukraine übergeben.
KI-Kriegsdienste
Das beruht auf Informationen von Molfar, einem ukrainischen Unternehmen für Risikobewertung. Rund 250 Mitarbeitende und Freiwillige arbeiten an militärischen Untersuchungen, Faktenüberprüfungen, Informationsrecherchen und Analysen. Molfar erstellt mithilfe von KI auch die gefälschten Frauenprofile auf den Dating-Apps.
Die Ukraine und ihre Verbündeten nutzen KI-Technologien seit Kriegsbeginn. Diese helfen auch bei der Analyse von Satellitenbildern und dem Gelände, bei der Bewertung von Zerstörungen auf dem Schlachtfeld sowie der Identifizierung von gefallenen Soldaten. (kes)