Eklat bei katholischem News-Portal
Sexismus-Vorwürfe gegen Schweizer Bischöfe

Es knallt beim katholischen News-Portal kath.ch. Fast alle Vorstandsmitglieder hören auf. Und ein internes Protokoll lässt Sexismus-Vorwürfe gegen die Bischöfe aufkommen.
Publiziert: 20.06.2024 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 20.06.2024 um 12:14 Uhr
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Medienbischof Josef Stübi steht in der Kritik.
Foto: Siggi Bucher
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Vor gut drei Monaten enthüllte Blick: Ausgerechnet am Weltfrauentag verhinderten die Schweizer Bischöfe eine kritische Journalistin als neue Chefredaktorin von kath.ch. Der Vorstand wollte Annalena Müller (40) zur Nachfolgerin von Charles Martig (58) machen. Doch Müller war den Bischöfen zu gefährlich.

Mit kritischen Artikeln, etwa zu Vertuschungsvorwürfen gegen den Basler Bischof Felix Gmür (58), hatte sie den Zorn der Würdenträger auf sich gezogen. Am Ende sprach Medienbischof Josef Stübi (63) ein Machtwort und verhinderte Müller. Stattdessen kam der reformierte Journalist Christian Maurer (61) zum Zug.

Am Donnerstag findet die Generalversammlung des Katholischen Medienzentrums statt. Wie Blick weiss, hört bis auf Präsident Adrian Müller (59) der gesamte Vorstand auf. Das langjährige Vorstandsmitglied Simon Spengler (62) schreibt in einem Brief, der Blick vorliegt, über die Arbeit der Findungskommission: «Die Art und Weise, wie die Evaluationsarbeit sabotiert und öffentlich desavouiert wurde, hat mein eigenes Vertrauen in die Verantwortlichen zerstört.» Die Bischöfe und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz hätten in einer Medienmitteilung «bewusst verfälschend» und «bösartig diffamierend» kommuniziert.

Zensurvorwürfe und katholisches Gütesiegel

Worum gehts? Am 10. Juni verschickten die katholischen Würdenträger eine Medienmitteilung und widersprachen einem Bericht von «Klein-Report», der über das bischöfliche Veto gegen Annalena Müller und Zensurvorwürfe berichtet hatte. Laut Medienmitteilung wurde Annalena Müller verhindert, weil «wesentliche Erkenntnisse aus dem Bewerbungsverfahren nicht berücksichtigt» worden seien. Dem widerspricht Simon Spengler in seinem Abschiedsbrief.

Tatsächlich enthält die Medienmitteilung zahlreiche Widersprüche. So dementiert die kirchliche Hierarchie, dass Annalena Müller das sogenannte nihil obstat verweigert wurde – Kirchenlatein für «es steht nichts entgegen», also eine Art katholischer Gütesiegel. In einem internen Protokoll steht jedoch klar: «(Medienbischof) Josef Stübi weist darauf hin, dass die Stimmung innerhalb der Schweizer Bischofskonferenz nicht zugunsten Annalena Müller steht. Er kann heute kein nihil obstat erteilen.»

Mit 40 Jahren zu jung?

Auch lässt das Protokoll Sexismus-Vorwürfe aufkommen. So wurde das Alter der 40-jährigen Annalena Müller thematisiert, nicht aber die 61 Jahre von Christian Maurer. Im Protokoll steht über Müller: «Die vermeintliche Unerfahrenheit, Formbarkeit und das vermeintlich junge Alter werden kontrovers diskutiert.»

Dabei hat Müller an der amerikanischen Elite-Uni Yale eine Promotion zur Klostergeschichte abgelegt. Fachlich schnitt sie deutlich besser ab als ihr Konkurrent, der reformiert ist und wenig Berührungspunkte zur katholischen Kirche aufweist. «Er wird vermutlich nicht die grossen Impulse setzen, sondern vielleicht eher die interne Situation beruhigen und konsensbasierte Gremienarbeit vorantreiben», steht in dem Protokoll über Maurer.

Müller hingegen sei eine «ambitionierte Persönlichkeit, die aus Sicht des Vorstandes den nötigen Drive hat, um die publizistische Linie zu entwickeln und zu professionalisieren». Doch daran hatte Medienbischof Josef Stübi kein Interesse. Dessen Veto hat jedoch ein politisches Nachspiel: Da die Steuerzahler im Bistum Basel das Salär der Bischöfe und Domherren zahlen, stellten die Grünen im Kanton Zug eine Motion. Sie wollen die Zahlungen stoppen, bis die Vorwürfe geklärt sind. Der Luzerner Katholik und Jurist Loris Fabrizio Mainardi (45) begrüsst die Motion und sagt zu Blick: «Das Portal kath.ch ist innert Wochen zur bischöflichen ‹Prawda› verkommen!» Prawda war die langjährige sowjetische Propaganda-Zeitung. Der neue Chefredaktor Christian Maurer widerspricht: «Wir sind kein Sprachrohr, sondern stehen für unabhängigen, kritischen Journalismus.»

Wird Präsident Müller abgesägt?

Entscheidend für den künftigen Kurs von kath.ch dürfte der neue Vorstand werden, den die Mitglieder an ihrer Generalversammlung am Donnerstag wählen. Es kommt zu einer Kampfkandidatur: Gegen Präsident Adrian Müller tritt das Duo Markus Ries (65) und Livia Leykauf (55) an. Ries ist pensionierter Professor, Leykauf leitet die Kommunikation des Hilfswerks Caritas. Für den Vorstand kandidieren laut einer Liste, die Blick vorliegt, sechs Personen – darunter keine ausgewiesenen Journalisten. Die Fragen von Blick liessen die kirchlichen Würdenträger unbeantwortet. Auch zum Sexismus-Vorwurf schweigen sie.

Transparenz-Hinweis: Raphael Rauch war bis März 2023 Redaktionsleiter von kath.ch. 

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