Es sollten wegweisende Vorwahlen für die Demokraten werden. Stattdessen wird der Iowa Caucus zum historischen Debakel. Nur der Verlierer des Abends profitiert: Joe Biden (77). BLICK hat den Albtraum von Iowa vor Ort hautnah miterlebt.
Des Moines, Iowa, kurz vor Mitternacht:
«Shit», flucht ein älterer Herr im weissen «Iowa 2020»-T-Shirt. «Oberpeinlich! Zum Schämen!» Den ganzen Abend über hat er Witze mit Journalisten gerissen, doch jetzt kann er seine Nervosität nicht mehr überspielen. «So werden wir in vier Jahren nicht mehr als Erste an der Reihe sein», platzt es aus dem Wahlhelfer heraus. «Technische Probleme – das darf doch nicht wahr sein!» Der Frust in Iowa sitzt tief.
Fünf Stunden zuvor, 19 Uhr:
Die ersten Vorwahlen beginnen. Die Demokraten? Alle begeistert! «Das ist ein historisches Jahr! Wir werden das Weisse Haus zurückgewinnen», ruft ein Mann mit gelber Weste in die Menge. Er leitet den «Caucus» in Downtown Des Moines – eine von über 1700 Wahlveranstaltungen, die an diesem Montagabend im Bundesstaat Iowa stattfinden. Es sollen wegweisende Vorwahlen für die Demokraten werden. Wie 2008, als Barack Obama (58) in Iowa mit seinem überraschenden Sieg hier seine Präsidentschaftskandidatur so richtig lancierte. Denn die Faustregel besagte bisher: Wer hier im Mittleren Westen gewinnt, holt sich in der Regel die Parteinominierung. Ein früher Erfolg bringt Aufmerksamkeit und dadurch neue Fans und Geld.
Auf einen Sieg in Iowa können zu diesem Zeitpunkt mehrere Kandidaten hoffen: Bernie Sanders (78) und Joe Biden – die Führenden in den Umfragen. Wie auch Elizabeth Warren (70) und Pete Buttigieg (38) – das Verfolger-Duo mit Aussenseiterchancen. Letzterer steht am Caucus in Downtown Des Moines besonders hoch im Kurs. Die Anhänger von Buttigieg machen ordentlich Stimmung, skandieren immer wieder «Mayor Pete» – Bürgermeister Pete. «Ich stimme für ihn, weil er realistische Pläne hat. Seine Gesundheitsreform gefällt mir. Und er ist jung! », sagt Jack, ein 21-jähriger College-Student aus Iowa.
21 Uhr:
Die Stimmen sind ausgezählt. An dem Caucus in Downtown Des Moines siegt Pete Buttigieg – hauchdünn vor Bernie Sanders. Joe Biden? Zurückgefallen. Ebenso Elizabeth Warren. Schnell verbreitet sich die Nachricht. Auch an anderen Orten soll das Bild ähnlich sein. Jetzt herrscht Hochspannung. Bei Anhängern und Kandidaten. Das ganze Land fragt sich: Gelingt Pete Buttigieg, dem ersten offen schwulen Präsidentschaftskandidaten der US-Geschichte, der grosse Coup in Iowa?
22 Uhr:
Das Debakel nimmt seinen Lauf. Die angekündigten Resultate bleiben aus. Stattdessen veröffentlicht die Demokratische Partei von Iowa ein Statement: Die übermittelten Ergebnisse werden einer «Qualitätsprüfung» unterzogen. «Das kann nur noch Augenblicke dauern», so der Wahlhelfer im weissen «Iowa 2020»-T-Shirt. «Man muss wissen, die in Iowa waren noch nie die Schnellsten», sagt er und lächelt.
23.00 Uhr:
Die Hoffnung weicht der Verzweiflung. Es sickert durch, dass es ein technisches Problem mit einer App gibt, die zur Übermittlung der Wahlergebnisse eingesetzt wird. Die Kandidaten stehen seit Stunden
bereit. Sie wollen ihre Iowa-Rede halten. Zur Prime Time. Wenn ganz Amerika zuschaut. Kandidatin Amy Klobuchar (59) verliert als Erste die Geduld. Sie tritt vor ihre Anhänger. Kurze Zeit später macht es ihr Joe
Biden gleich. Wohlwissend, dass er nicht besonders gut abgeschnitten hat. «Wir werden einige Delegierten holen. Aber jetzt gehts nach New Hampshire!», ruft er seinen Leuten zu. Barack Obamas einstiger Vize verzieht sich schnell in den Staat, in dem die nächsten Vorwahlen stattfinden. Die Enttäuschung, die sich abzeichnet, muss er nun nicht mehr einem Millionenpublikum erklären. Das nennt man wohl Glück im Unglück.
Kurz vor Mitternacht:
Der Schlusspunkt unter den Schlamassel. Die Demokraten teilen mit, dass sie «Ungereimtheiten in drei Ergebnissen» festgestellt hätten. Die Stimmen sollen nun per Hand überprüft werden. Jetzt steht fest: In den nächsten Stunden gibts keine Resultate. Nicht nur der fluchende, ältere Herr im weissen «Iowa 2020»-T-Shirt hat das mitbekommen – auch Bernie Sanders und Pete Buttigieg. Sie treten jetzt jeweils vor ihre Anhänger. Beide lassen sich feiern. Und beide erklären sich – verklausuliert – zum Sieger. Doch wer wirklich gewonnen hat, wird man auch einen halben Tag später noch nicht wissen.
So kennt der Abend nur zwei Sieger:
Joe Biden, der sich davonstehlen konnte und am Dienstagmorgen den Iowa-Vorwahlen die Glaubwürdigkeit absprach. Und US-Präsident Donald Trump (73): «Bei den Demokraten funktioniert nichts», spottet er auf Twitter. «So wie sie das Land regiert haben.»
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
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