Das Komitee der Initiative, über die wir am 29. November abstimmen, beschreibt sein Ziel so: «Konzerne, die auf Kinderarbeit setzen oder Flüsse vergiften, sollen dafür geradestehen.»
Die Gegner der Initiative sagen – dasselbe! So etwa Bundesrätin Karin Keller-Sutter: «Jedes Unternehmen, das einen Schaden verursacht, soll selbstverständlich zur Verantwortung gezogen werden.» Oder der Präsident von Lafarge Holcim: «Ich befürworte die Bestrafung von fehlbaren Unternehmen.»
Grosse Einigkeit beim Ziel. Maximale Uneinigkeit darüber, wie es erreicht werden soll. Die Gegner betonen: Klagen sind schon heute möglich – und zwar dort, wo das Delikt begangen wurde.
Die Initiative verlangt, dass Schweizer Konzerne, deren Tochterfirmen oder abhängige Lieferanten irgendwo auf der Welt gegen Schweizer Recht verstossen, in der Schweiz verurteilt werden und Schadenersatz zahlen sollen.
Das tönt nicht unvernünftig. Und doch sprechen fünf zentrale Argumente dagegen:
1. Fremde Richter. Wollte beispielsweise ein Gericht in Nigeria über einen Fall in der Schweiz urteilen, würden wir uns über diese Einmischung fremder Richter – zu Recht – empören. Genau das aber verlangt die Initiative, bloss umgekehrt: Ein Schweizer Richter müsste über nigerianische Rechtsstreitigkeiten befinden. Damit gäbe die Schweiz der Welt zu verstehen: Unsere Justiz ist besser als eure!
2. Betroffene wollen die Initiative nicht. Der Handelsminister von Burkina Faso sagt: «Mein Land hat seine eigene Justiz und kann die Menschenrechte selber garantieren – ohne Neokolonialismus.» Internationale Konzerne seien der Motor für die Entwicklung des westafrikanischen Staates. Der Minister klipp und klar: «Diese Initiative schadet der Wirtschaft von Burkina Faso.»
3. Schweizer sind gute Investoren. Allein Nestlé ist in 187 (!) Ländern aktiv, unsere Firmen geben weltweit Abermillionen Menschen Arbeit. Die Schweizer sind garantiert sozialere Investoren als etwa die Chinesen, die sich um Menschenrechte und die Umwelt mehrheitlich foutieren.
4. Die Initiative bringt Unsicherheit. Niemand weiss heute schon, wie sie dereinst in der Praxis umgesetzt wird. Laut «NZZ» sei zwar nicht mit einer Klageflut zu rechnen, wohl aber damit, dass «sich Anwaltskanzleien und NGOs periodisch einige vielversprechende Fälle herauspicken, um Schauprozesse zu starten und eventuell hohe Vergleichssummen auszuhandeln».
5. Die Schweiz wäre am strengsten. In schwierigen Zeiten wie diesen käme kein Land auf die Idee, seine Wirtschaft gegenüber der Konkurrenz zusätzlich zu schwächen – ausser der Schweiz ... Dabei sollten wir unseren Firmen Sorge tragen, damit sie weiterhin für Arbeitsplätze und Wohlstand sorgen.
Trotz aller berechtigten Einwände zeichnet sich gemäss Umfragen ein Ja zur Konzernverantwortungs-Initiative ab – vermutlich auch deshalb, weil Grosskonzerne mit selbstherrlichen Managern und ihren Millionensalären viel Sympathie verspielt haben.
Das sollte jedoch für den Entscheid an der Urne keine Rolle spielen. Bei dieser Initiative muss man ins Detail gehen, um zu sehen: Nicht alles, was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, ist auch tatsächlich sinnvoll. Und nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch wirklich gut.