Matthias Berger (53) ist verunsichert. Der CEO und Gründer von Sportsevision führt ein typisches international tätiges Schweizer KMU mit rund 30 Angestellten. Eine Firma, die auf – und mit – der ganzen Welt Geschäfte macht. Und Berger sich deshalb wie viele andere Patrons die Frage stellt: Gilt die sogenannte Konzernverantwortungs-Initiative (Kovi), über die das Stimmvolk am 29. November abstimmen wird, auch für mein Unternehmen? Ganz konkret: Sind KMU wie dasjenige von Matthias Berger von der Initiative betroffen?
Auch nach einer Podiumsdiskussion vor einigen Tagen in St. Gallen weicht die Verunsicherung nicht: «Bundesrätin Karin Keller-Sutter sagt, die Initiative gelte auch für KMU», erzählt Berger, der die Diskussion virtuell verfolgt hat. SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher (56) dagegen sage, der Bundesrat male ein Schreckgespenst an die Wand. «Was gilt denn nun?», fragt sich Berger, der eher dazu neigt, der Bundesrätin Glauben zu schenken.
Viele chinesische Zulieferer
Die Hälfte seiner Sportsevision-Angestellten arbeitet in Rorschach SG – die andere Hälfte im chinesischen Shenzhen. Dort hat das KMU eine Tochterfirma aufgebaut, die LED-Panele produziert. Die LED-Werbesysteme kommen bei Sportveranstaltungen zum Einsatz: entweder als Banden am Spielfeldrand oder als Würfel hoch oben in der Arena.
«Wir haben deshalb eine Firma in China aufgebaut, weil wir so die Qualität vor Ort besser kontrollieren können.» Die Fabrik in Shenzhen arbeitet nach Schweizer Standards, setzt die Ideen um, die die Ingenieure ausgeheckt haben. Allerdings: Das gute Dutzend Mitarbeiter in China kann nicht alle Teile selber produzieren, muss Stecker, Kabel, LED-Chips oder auch Magnesium-Schalen zum Schutz der empfindlichen Bauteile bei lokalen Zulieferern einkaufen.
Auch Exportförderer skeptisch
In China fehle es oft an Transparenz, weiss Berger. Alle Prozesse und Zulieferer zu überwachen, das überfordere seine Firma. «Wir können doch nicht alle Zulieferer kontrollieren! So etwas können sich nur Grosskonzerne leisten», glaubt der Patron, der mit seiner Firma die Bandenwerbung in den Schweizer Fussballstadien revolutioniert hat.
Mit seiner Verunsicherung ist der Ostschweizer Unternehmer nicht allein: «Die Konzernverantwortungs-Initiative nimmt KMU nicht explizit aus», sagt Simone Wyss Fedele (41), Chefin von Switzerland Global Enterprise. Auf Anfrage von BLICK sagt die oberste Exportförderin der Schweiz: «Von unseren Kunden – exportierenden Schweizer KMU – hören wir daher, dass diese verunsichert sind, ob bei einer Annahme der Initiative eine administrative Mehrbelastung und rechtliche Risiken auf sie zukommen.»
Der Gewerbeverband, die grösste Lobbyorganisation der kleinen Firmen in der Schweiz, lehnt die Initiative ab: «Die Konzernverantwortungs-Initiative würde einen Alleingang der Schweiz darstellen, in dem Beweislastumkehr und Lieferkettenregulierung neu Eingang in die Schweizer Gesetzgebung fänden.»
Mächtige Konkurrenz
Alternativen zum Standort Shenzhen sieht Berger keine, denn in und um die Millionen-Metropole in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hongkong werden 90 Prozent der LEDs weltweit produziert. «Wir suchen ja nicht bewusst Lieferanten aus, die Menschenrechte missachten oder Umweltstandards verletzen – im Gegenteil, diese sind uns sehr wichtig», verteidigt er sein Unternehmen. «Aber im Endeffekt entscheidet der Preis.»
Und der wirkt gerade zweifach: «Prototypen in der Schweiz zu entwickeln, dauert zu lange und ist zu teuer», sagt der Gründer von Sportsevision. «In Shenzhen geht das über Nacht, wenn es sein muss.»
Zudem könnten Kunden zur Konkurrenz wechseln. Die heisst LG, kommt aus Südkorea und ist einer der mächtigsten Konzerne im Bereich Unterhaltungselektronik. Eine Firma, die wohl schon heute etwas weniger strengeren Standards im Bereich Umweltschutz und Menschenrechte einhalten muss als ein KMU aus der Schweiz.