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Handelsminister Burkina Faso:«Eure Konzern-Initiative schadet unserer Wirtschaft»

Harouna Kaboré, Handelsminister von Burkina Faso, greift Schweizer Hilfswerke an
«Eure Konzern-Initiative schadet unserer Wirtschaft»

Die Konzern-Initiative nutze vor allem den Hilfswerken, findet Harouna Kaboré, Handelsminister von Burkina Faso. Seinem Land aber werde das Volksbegehren schaden.
Publiziert: 11.11.2020 um 01:23 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2020 um 20:32 Uhr
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Kein Fan der Konzern-Initiative: Harouna Kaboré, Handelsminister von Burkina Faso.
Foto: Nathalie Taiana
Gianna Blum

«Diese Initiative schiesst am Ziel vorbei», sagt Harouna Kaboré (43). Diese Kritik wird von den Gegnern der Konzern-Initiative oft geäussert. Das Volksbegehren will, dass Schweizer Konzerne für Umwelt- und Menschenrechtsverstösse ihrer Tochterunternehmen im Ausland haften. Neu ist aber nicht die Kritik, sondern der Absender: Kaboré ist Handelsminister von Burkina Faso. Im von der Agentur Furrer Hugi organisierten Anlass im Berner Hotel Bellevue legte er seine Sicht auf die Initiative dar. Und die ist: schlecht.

«Diese Initiative schadet der Wirtschaft von Burkina Faso», ist Kaboré überzeugt. Denn Konzerne würden Millionen Menschen Arbeit geben, der Privatsektor sei der Motor der Entwicklung seines Landes. «Wenn das Ziel ist, Menschenrechte zu schützen, dann soll doch auch das Recht auf Arbeit geschützt werden», findet er.

Frontal greift Kaboré die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an: Diese seien selbst ein «Business» geworden. Eines, das durch die Initiative noch Auftrieb erhalten werde. Denn oft würden NGO-Projekte solche des Privatsektors gar konkurrenzieren. Kaboré: «Die Schweiz sollte nicht über NGOs bei der Entwicklung helfen. Sondern durch die Wirtschaft.»

Knatsch um Kinderarbeits-Vorwürfe

Negativbeispiel für Kaboré ist Solidar Suisse. Das Hilfswerk hat 2019 seinen Baumwoll-Report veröffentlicht, der Kinderarbeit in Burkina Faso anprangert – ein Bericht, der laut Kaboré «fern der Realität» ist und mit gestellten Bildern arbeite. Solidar Suisse ist allerdings längst nicht das einzige Hilfswerk mit Kritik an Kinderarbeit. Auch die Internationale Arbeitsorganisation sagt, dass über 40 Prozent der Minderjährigen im Land arbeiten.

Handelsminister Kaboré seinerseits betont, dass Burkina Faso sämtliche entsprechenden internationalen Verträge ratifiziert habe – und rechtlich «alles hat, was es braucht, um Verstösse zu ahnden». Burkina Faso habe seine eigene Justiz und könne die Menschenrechte selbst garantieren – ohne «Neokolonialismus, der uns zu Kindern macht». Das Problem seines Landes seien nicht Haftungsfragen der Konzerne. Sondern der Anreiz für die Privatwirtschaft, in lokale Zulieferer zu investieren. Der drohe bei einem Ja zur Initiative verloren zu gehen.

Armut als Hauptproblem

Dass sich Kaboré überhaupt in der Schweiz äussert, hat viel mit dem Engagement von GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley (48) zu tun, die sich ebenfalls gegen die Initiative einsetzt. Die Waadtländerin pflegt enge Beziehungen zu Burkina Faso und sitzt an der Medieninformation neben dem Handelsminister. Sie hält ihm auch mal die richtige Seite seiner Unterlagen hin, wenn er den Faden verliert. Gegen die Initiative stellt sich auch SVP-Bundesrat Ueli Maurer (69), der kurz zum Fototermin vorbeischaut.

Flankiert wird Kaboré zudem von Philipp Aerni, Direktor des Zentrums für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit der Universität Zürich. «Das Hauptproblem ist die Armut, nicht die Schweizer Investitionen», sagt dieser. Er befürchtet, dass bei einem Ja zur Initiative eher Unternehmen ins Land kommen, die ihr Personal mitbringen. Das Risiko der Kinderarbeit gehe dabei gegen null – doch der Bevölkerung werde nicht geholfen.

Sorgfaltspflicht mit tiefen Kosten

Beim Hilfswerk Solidar Suisse kann man darüber nur den Kopf schütteln. Sprecher Iwan Schauwecker weist darauf hin, dass Konzerne aufgrund der Initiative nicht unmittelbar in der Pflicht stünden, Kinderarbeit in einem Land zu eliminieren – sondern nur aufzeigen müssten, dass ihre Tochterfirmen diese nicht nutzen. Dass daraus Schaden für die Wirtschaft im Einsatzland resultiert, bezweifelt er. «Eine Sorgfaltspflicht durchzuführen, kostet viel weniger, als bereits getätigte Investitionen rückgängig zu machen.»

Lokal gebe es in Burkina Faso allenfalls Akteure, die sich Sorgen machten, Schweizer Abnehmer zu verlieren. Doch die Lieferketten seien auch bei Baumwolle komplex. «Die wenigsten der lokalen Zulieferer sind nach Definition der Initiative von Schweizer Konzernen kontrolliert.» Und auch, dass sich die Hilfswerke und Privatsektor gegenseitig quasi konkurrenzieren, weist Schauwecker zurück. «Wir und andere Hilfswerke arbeiten mit dem Privatsektor zusammen.»

Darum geht es bei der Konzernverantwortungs-Initiative

Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Sie will, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie, ihre Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstossen. Im Rahmen einer Sorgfaltsprüfung müssen Unternehmen künftig mögliche Risiken erkennen und geeignete Massnahmen dagegen ergreifen. Diese Sorgfaltspflicht gilt für alle Unternehmen in der Lieferkette.

Dagegen sind Bundesrat und Parlament. Sie argumentieren, dass ein Ja ein Alleingang der Schweiz wäre, der vor allem dem Wirtschaftsstandort schaden würde. Dem Nein-Lager gehören CVP, FDP und SVP an, dazu kommen die Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse. Sie befürchten eine Schwächung der Schweizer Unternehmen, den Rückzug von KMU aus Entwicklungsländern, zu viel Bürokratie und erpresserische Klagen.

Dafür sind neben den über hundert Nichtregierungsorganisationen, welche die Initiative ergriffen haben, SP, Grüne, GLP, EVP und BDP. Dazu kommt ein bürgerliches Komitee mit Vertretern von CVP und FDP.

BLICK beantwortet hier die wichtigsten Fragen zur Initiative.

Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Sie will, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie, ihre Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstossen. Im Rahmen einer Sorgfaltsprüfung müssen Unternehmen künftig mögliche Risiken erkennen und geeignete Massnahmen dagegen ergreifen. Diese Sorgfaltspflicht gilt für alle Unternehmen in der Lieferkette.

Dagegen sind Bundesrat und Parlament. Sie argumentieren, dass ein Ja ein Alleingang der Schweiz wäre, der vor allem dem Wirtschaftsstandort schaden würde. Dem Nein-Lager gehören CVP, FDP und SVP an, dazu kommen die Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse. Sie befürchten eine Schwächung der Schweizer Unternehmen, den Rückzug von KMU aus Entwicklungsländern, zu viel Bürokratie und erpresserische Klagen.

Dafür sind neben den über hundert Nichtregierungsorganisationen, welche die Initiative ergriffen haben, SP, Grüne, GLP, EVP und BDP. Dazu kommt ein bürgerliches Komitee mit Vertretern von CVP und FDP.

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