Es war die vielleicht wichtigste Reise seines Lebens. Ganz bestimmt war es die, bei der er am schärfsten beobachtet wurde: das Treffen von Bundespräsident Guy Parmelin (61) mit Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen (62) in Brüssel. Am Nachmittag stand fest: Der Eklat ist ausgeblieben – und, immerhin, das Rahmenabkommen mit der Europäischen Union ist noch nicht gescheitert.
Brüssel und Bern wollen «in Kontakt bleiben», was immer das heisst.
Das ist kein Erfolg, aber es hätte auch viel schlimmer kommen können. Denn in letzter Zeit war es in der Schweizer Politik Mode geworden, das Abkommen schlechtzureden und einen Abbruch der Gespräche zu fordern. Die EU wiederum war sich nicht zu schade, vertrauliche Dokumente darüber durchsickern zu lassen, wie dilettantisch die Schweiz angeblich verhandelt. Während der Bundesrat noch immer schweigt, statt endlich zu sagen, ob er eine Strategie hat.
Jetzt zeigt sich: Totgeglaubte leben länger. Auch wenn das Rahmenabkommen nach wie vor auf dem Totenbett liegt und niemand so recht weiss, ob man es wiederbeleben soll oder nicht.
Kurz vor Parmelins Besuch bei von der Leyen wurde offenbar beiden klar, dass niemand Interesse an einem Zerwürfnis haben kann. Es würde zwangsläufig tiefe Wunden hinterlassen. Und die Basis einer jahrzehntelangen erfolgreichen Zusammenarbeit zerstören:
Die Schweiz ist wirtschaftlich derart eng mit der EU verflochten, dass sie geregelte Beziehungen zwingend braucht.
Die EU hat nach den Brexit-Wirren kein Interesse an einer weiteren Scheidung, zudem sind gute Beziehungen für Grenzregionen wie Baden-Württemberg, das Elsass und die Lombardei wirtschaftlich überlebenswichtig.
Trotzdem sind mit dem diplomatischen Frühlingstreffen in Brüssel die Differenzen nicht kleiner geworden. Die entscheidenden Fragen bleiben: Wie schützen wir unsere hohen Löhne? Wie bewahren wir unsere Sozialwerke vor dem Andrang von EU-Bürgern?
Dazu waren in den letzten Wochen viele unbrauchbare Vorschläge zu hören. Aber auch ein höchst bemerkenswerter. Er kam von Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt (60). Seine elegante Idee: ein Rahmenabkommen auf Zeit.
Exakt dies hat die Schweiz schon einmal mit Erfolg praktiziert: Als 2004 die Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Länder in Osteuropa ausgeweitet wurde, bedingte sich die Schweiz eine Probezeit von sieben Jahren aus – um dann erleichtert festzustellen, dass die befürchtete Invasion ausgeblieben war.
Manchmal hält die Geschichte interessante Lehren für die Gegenwart bereit: Statt alles zu zerreden – wie wäre es mit Ausprobieren?
Was funktioniert, wird beibehalten. Was nicht, wird wieder abgeschafft.