Es bleibt verknorzt. Für den Bundesrat ist offensichtlich noch immer nicht klar, wie es mit dem Rahmenabkommen weitergehen soll. Dabei hat sich die Regierung am Montagmorgen extra zur Krisensitzung zusammengefunden. Die Zeit drängt. Bereits am Freitag will sich Bundespräsident Guy Parmelin (61) in Brüssel mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) treffen. Doch noch immer soll sich die Regierung nicht einig sein, welche Botschaft der SVP-Bundesrat überbringen soll.
Parmelin selbst sagte am Sonntag der Zeitung «Le Matin Dimanche», er habe es nicht auf einen Paukenschlag abgesehen. «Ich werde nicht Boris Johnson spielen», die Schweiz wolle «nicht aus einem Abkommen aussteigen, sondern eine Lösung finden, um es weiterzuentwickeln». Wie diese aussehen soll, scheint aber weiter völlig unklar zu sein.
«Die Situation im Bundesrat ist desolat»
Zwar soll die Regierung erneut über mögliche Botschaften an die EU diskutiert haben. Einig geworden sei man sich aber nicht, ist aus verschiedenen Quellen zu hören. «Die Situation im Bundesrat ist desolat», kommentiert eine nahe Quelle. «Er hat ganz offensichtlich keinen Plan.»
Wie der «Nebelspalter» (Bezahlartikel) berichtet, habe der Bundesrat am Montag erstmals festgehalten, dass das Resultat der technischen Gespräche seiner Chefunterhändlerin, Staatssekretärin Livia Leu (60), ungenügend sei. Ein Beschluss für das weitere Vorgehen soll aber nicht gefallen sein. Vielmehr habe der Bundesrat erneut verschiedene Departemente beauftragt, Vorschläge zu machen.
Gleichzeitig soll noch unklar sein, ob es vor dem Treffen vom Freitag noch zu einem Telefonat zwischen von der Leyen und Parmelin kommt. In Bern habe man den Eindruck, Brüssel habe darauf keine Lust, solange sich der Bundesrat nicht entschieden hat.
Bundesrat prüft Alternativen
Bern und Brüssel ringen mittlerweile seit sieben Jahren um das Abkommen. «Und nun droht das Fiasko, dass Parmelin am Freitag diplomatisch eingestehen muss, dass der Abbruch bevorsteht», heisst es aus dem Umfeld. Es entstehe der Eindruck, dass selbst eine Mehrheit in der Regierung das Abkommen gar nicht mehr unbedingt will.
Der Bundesrat prüfe «seit langem» Alternativen für den Fall, dass eine Einigung mit der EU über ein institutionelles Rahmenabkommen scheitere, formuliert es Bundespräsident Parmelin selber.
Der Bundesrat möchte in drei Punkten Änderungen am vorliegenden Vertragstext anbringen: beim Lohnschutz, bei der Unions-Bürgerrichtlinie und den staatlichen Beihilfen.
«Scheitern würde schwerwiegende Nachteile mit sich bringen»
Die Erwartungen an die Landesregierung sind hoch. Der Schweizerische Städteverband verlangt vom Bundesrat einen raschen Beschluss zum Abkommen. Die Städte seien als Zentren für Wirtschaft, Bildung, Forschung und Kultur auf gute und stabile Beziehungen mit der EU angewiesen.
Auch die Wirtschaft pocht auf die Weiterführung des bilateralen Wegs. Er erlaube eine enge Zusammenarbeit mit der EU «unter Beibehaltung maximaler Souveränität», erinnern gleich 25 kantonale Industrie- und Handelskammern den Bundesrat gemeinsam in einem offenen Brief. «Ein Scheitern des Rahmenabkommens würde schwerwiegende Nachteile für unsere Wirtschaft mit sich bringen.»