Die Weihnachts-Angst
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Über die Lieferengpässe:Die Weihnachts-Angst

BlickPunkt über Lieferengpässe
Die Weihnachts-Angst

Viele Lieferketten funktionieren nicht mehr so wie vor der Pandemie. Das führt zu Wartezeiten im Handel. Doch bevor wir in Panik verfallen, sollten wir daran denken, dass manche Menschen echte Sorgen haben.
Publiziert: 30.10.2021 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2021 um 07:06 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Im Lockdown standen viele Fabriken still, weil die Menschen nicht mehr zur Arbeit gehen durften; Transportkapazitäten nahmen ab, weil Häfen dichtmachten und weniger Flugzeuge flogen; Unternehmen bauten Kapazitäten ab, weil sie mit der Dauerkrise rechneten statt einem schnellen Boom.

Dadurch kommt es heute zu Wartezeiten bei Autos und Elektrovelos, Handys und Computern, Spielkonsolen und Kaffeemaschinen – bei allen Produkten, in denen Halbleiter verbaut sind. Computerchips sind Mangelware. Dazu liefern sich die USA mit China einen Handelskrieg, es fehlt an Rohstoffen, Produktionsausfälle sind noch immer an der Tagesordnung.

Wegen Mangel an Kunststoffgranulat wird auch Plastik knapp – unter anderem bedeutet das weniger und teurere Spielzeuge. Wegen des Booms im Onlinehandel werden Papier und Karton knapp. Weil das Zuhause wichtiger geworden ist und wie wild renoviert wird, fehlt es sogar an Holz.

Zudem blockierte ein Frachtschiff wochenlang den Suezkanal; ein Zyklon legte einen wichtigen chinesischen Frachthafen lahm; ein Käfer zog in Kanada die Holzproduktion in Mitleidenschaft.

Hinzu kam ein riesiger und unerwarteter Boom! Viele Menschen haben in der Pandemie Geld gespart und wollen den verpassten Konsum jetzt dringend nachholen.

Bang fragte der Zürcher «Tages-Anzeiger» deshalb schon: «Gähnende Leere unter dem Christbaum?» Und der Blick witzelte: «Du meine Güter!»

Doch wer sich dieser Tage in den Läden umschaut, ist nicht mit Mangel konfrontiert, sondern mit vollen Regalen. Selbst wenn uns auffallen sollte, dass von manchen Waren mal nur fünf statt zehn Sorten zur Auswahl stehen, dann zeigt das vor allem, wie verwöhnt wir sind. Und selbst wenn etwas ganz fehlt: So what?

Treffsicher meint Blick-Leserin Ursula Ramseier: «Dann wird endlich weniger weggeschmissen!»

Vielleicht sollten wir uns nur einmal umschauen, welche Folgen die Pandemie in anderen Ländern hat, wo der Staat die Menschen nicht mit Kurzarbeitsentschädigung und Nothilfe durch die Krise bringen konnte oder wollte.

Nach Feststellungen der Uno hat sich der Hunger 2020 dramatisch ausgebreitet: Weltweit sind heute zwischen 720 und 810 Millionen Menschen akut unterernährt – 70 bis 160 Millionen mehr als noch ein Jahr zuvor. Sechsmal mehr Kinder starben in der Pandemie an Hunger, während die Kinderarbeit massiv zunahm.

Auch das sollten sich vielleicht alle vor Augen halten, die jetzt klagen, dass nicht die richtige Spielkonsole für die eigenen Kinder zu finden ist, um sie in einem bunten Päckchen unter den Weihnachtsbaum zu legen.

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