Erstmals tauchte das seltsame Wort am 28. Dezember in einem Zeitungsartikel auf – seitdem kam es laut der Schweizerischen Mediendatenbank SMD landesweit in nicht weniger als 613 Artikeln vor.
Und doch ist «Impfprivilegien» für mich schon jetzt das Unwort des Jahres.
Denn man sollte wissen, wovon man spricht – und noch viel mehr, worüber man schreibt!
Die Schweiz erlebt gerade die grösste Impfaktion ihrer Geschichte. Die Immunisierung läuft nicht ganz so schnell wie erhofft und mit grossen kantonalen Unterschieden, aber immerhin: Bis Ende Juli könnten alle geimpft sein, die dazu bereit sind.
Good News wie aus dem Bilderbuch: Die flächendeckende Covid-19-Immunisierung macht verordnete Einschränkungen zunehmend unnötig und die Rückkehr zu unserem gewohnten Leben wieder möglich.
Alain Berset (49) sagt es so: «Wenn alle Personen, die das wollen, zweimal geimpft sind, können wir die Restriktionen nicht mehr aufrechterhalten.»
Der Gesundheitsminister hat recht: Nichtgeimpfte können dann nicht länger auf die Solidarität der Geimpften zählen – zumal sie sich selbst unsolidarisch verhalten, wenn sie sich nicht impfen lassen wollen.
Und sobald ein praktikabler Immunisierungs-Nachweis vorliegt, werden Geimpfte einfacher auf Reisen oder zu Fussballmatches gehen dürfen, Konzerte, Restaurants, Discos oder Bars besuchen; sie werden von Quarantäne, Masken, Abstand und sämtlichen lästigen Sicherheitsvorschriften befreit sein, die seit Ausbruch der Pandemie zu unserem Alltag gehören.
Mit Privilegien jedoch hat das alles überhaupt nichts zu tun. Denn das Wort Privileg bedeutet laut Duden das «einer Gruppe vorbehaltene Sonderrecht». In der Geschichte war es sogar ein Recht für wenige oder einzelne – eine Ausnahmeregelung, um nicht zu sagen: Unrecht.
Kann die Rückkehr zur Normalität Unrecht sein?
Natürlich darf sich jeder gegen eine Corona-Impfung entscheiden. Er oder sie muss sich dann eben dauerhaft an Schutzmassnahmen halten, weil das Virus sonst freie Bahn hätte: Kranke, Tote und eine Überlastung des Gesundheitswesens wären die Folge.
Dieser Zustand aber wäre nicht die Normalität, sondern der Sonderfall. Deshalb ist es falsch, von Impfprivilegien zu reden. Besondere Bedingungen würde dann nämlich die Minderheit in Anspruch nehmen, die sich nicht impfen lassen möchte.