1. Die Schutzphase
- Dauer: Die Schutzphase dauert bis zu dem Zeitpunkt, an dem alle impfwilligen besonders gefährdeten Personen vollständig geimpft sind. Der Bundesrat rechnet damit, dass das Ende Mai der Fall sein wird.
- Situation: Die Durchimpfungsrate ist tief und die Impfung der besonders gefährdeten Personen ist noch im Gange. Ein rascher Anstieg der Fallzahlen führt zu vielen Hospitalisierungen und Todesfällen.
- Massnahmen: Um die Pandemie unter Kontrolle zu halten, sind strenge Massnahmen notwendig. Durch repetitives Testen asymptomatischer Personen werden Ausbruchsherde schnell erkannt und isoliert.
- Verschärfungen: Der Bundesrat hat Richtwerte festgelegt (und im Vergleich zum März angepasst), bei deren Überschreitung er erneute Massnahmenverschärfungen prüfen will. Es existiert kein Automatismus. Die 14-Tages-Inzidenz liegt neu bei 450 Ansteckungen pro 100'000 Personen, die Hospitalisierungen im Sieben-Tagesschnitt bei 120, die Belegung der Intensivbetten bei 300 Betten und der R-Wert bei 1.15.
- Öffnungen: Aufgrund der Öffnungen per 19. April 2021 und der fragilen epidemiologischen Lage werden vor dem 26. Mai 2021 kaum weitere Öffnungsschritte möglich sein. Der Bundesrat wird am 12. Mai 2021 eine Auslegeordnung vornehmen und allenfalls ein Öffnungspaket in die Konsultation senden.
2. Die Stabilisierungsphase
- Dauer: Die Stabilisierungsphase dauert so lange, bis die gesamte impfwillige erwachsene Bevölkerung vollständig geimpft ist. Der Bundesrat geht davon aus, dass das etwa Ende Juli der Fall sein wird.
- Situation: Die Durchimpfung der besonders gefährdeten Personen und die rasche Impfung der restlichen Bevölkerung sollte dazu führen, dass die Anzahl der Hospitalisierungen und Todesfälle kontinuierlich sinken sollte. Der Bundesrat rechnet aber mit einem Paradox: Bei einer starken Zunahme an verabreichten Impfungen müsse mit einer Beschleunigung der epidemischen Entwicklung gerechnet werden, weil die Akzeptanz der Schutzmassnahmen laufend abnehme. Ein ungebremster Anstieg der Fallzahlen könnte das Gesundheitssystem weiterhin rasch überlasten, warnt der Bundesrat.
- Massnahmen: In der Stabilisierungphase soll die Öffnungsstrategie weitergeführt werden, um ein gesellschaftliches, kulturelles und sportliches Leben an bestimmten Veranstaltungsorten wieder möglich zu machen. Hat die Durchimpfungsrate rund 40 bis 50 Prozent erreicht, soll an gewissen Orten Privilegien für Geimpfte, Getestete und Genesene geben. Dafür erarbeitet der Bund aktuell ein Covid-Zertifikat.
- Verschärfungen: An den Richtwerten der Schutzphase wird festgehalten. Eine Ausnahme ist die 14-Tages-Inzidenz, die bis zum Wert von 600 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner ansteigen darf.
- Öffnungen: Der Bundesrat will dann Öffnungen vornehmen, wenn die Fallzahlen, die Hospitalisierungen und die Belegung der Intensivstationen in der Woche vor dem Öffnungsschritt stabil oder rückläufig sind. Mit der Fortführung der sogenannten risikobasierten Öffnungsstrategie sollen zusätzliche gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Möglichkeiten geschaffen werden.
- Mögliche Öffnungen in der Stabilisierungsphase: Der Bundesrat sieht vor, dass der Präsenzunterricht in der Tertiärstufe wieder möglich sein könnte, sofern wöchentlich Covid-Tests durchgeführt werden. Auch könnte die Home-Office-Pflicht durch eine Empfehlung ersetzt werden. Auch hier gilt die Voraussetzung, dass sich die Mitarbeitenden mindestens einmal wöchentlich testen lassen können. Ebenfalls vorgesehen sind Lockerungen im Detailhandel (mehr Personen pro Laden) im Sport und allenfalls im Bereich der Freizeiteinrichtungen. Bei sehr guter epidemiologischer Lage sollen sogar die Restaurants wieder uneingeschränkt öffnen dürfen.
3. Die Normalisierungsphase
- Dauer: Die Normalisierungsphase wird eingeläutet, sobald die gesamte erwachsene Bevölkerung Zugang zu einer vollständigen Impfung erhalten hat. Das heisst, wenn etwa 30 Prozent der Impfplätze frei bleibt.
- Situation: Selbst bei einer hohen Impfbereitschaft bleiben viele Personen ungeimpft (etwa Kinder sowie Personen, die sich nicht impfen lassen können oder wollen). Aus diesem Grund ist auch in der Normalisierungsphase ein rascher Anstieg der Fallzahlen und eine Überlastung des Gesundheitssystems möglich. Es ist wichtig, dass sich eine Person des Ansteckungsrisikos bewusst ist, wenn sie sich nicht impfen lässt.
- Massnahmen: Die Massnahmen des Bundes richten sich auf den Erhalt der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems aus.
- Öffnungen: Verbleibende Schliessungen von Betrieben und Einrichtungen sowie Kapazitätsbeschränkungen sollen schrittweise aufgehoben werden. Basismassnahmen – wie um Beispiel das Maskentragen an frequentierten Orten – sollen schrittweise abgebaut werden, damit die Entwicklung der Pandemie gut verfolgt werden kann.
- Verschärfungen: Bei drohender Überlastung des Gesundheitssystems ergreift der Bundesrat nur noch Massnahmen zur Einschränkung von Personen, die sich nicht haben impfen lassen. Personen mit gültigem Covid-Zertifikat (geimpft, genesen und zeitnah getestet) sollen nicht von Massnahmen betroffen sein.
Bis es wieder nicht nur auf der Terrasse, sondern auch im Restaurant erlaubt ist, Kaffee zu trinken, dauert es noch mindestens einen Monat. Vor dem 26. Mai kommen weitere Lockerungen kaum in Frage, sagte SP-Gesundheitsminister Alain Berset (49) nach der Bundesratssitzung: «Aussteigen aus der Krise ist kompliziert und braucht viel Zeit.»
Grund für die Zurückhaltung: Die Landesregierung rechnet damit, dass es noch bis mindestes Ende Mai dauern wird, bis die Risikogruppen vollständig – also zweifach – geimpft sind. In dieser «Schutzphase», wie der Bundesrat es nennt, sei weiterhin Vorsicht geboten. Die Lage sei fragil – und in der Pandemie gebe es «keine Abkürzungen».
Wichtig sei derzeit vor allem, dass sich die Bevölkerung testen lasse – schliesslich habe der Bund dafür genug Möglichkeiten geschaffen.
Verschärfungen sind auch möglich – etwa, wenn die 14-Tage-Inzidenz auf über 450 steigt: sich also in zwei Wochen von 100'000 Menschen 450 anstecken.
Weitere Entscheide am 12. Mai
Wann weitere und welche Lockerungen nach dieser ersten Phase kommen könnten, will der Bundesrat am 12. Mai entscheiden. In Konsultation mit den Kantonen ist nun ein 3-Phasen-Modell. Sind die Risikogruppen geimpft, trete die Schweiz in eine «Stabilisierungsphase» ein. Diese dauert solange, bis sämtliche Erwachsene, die das wollen, zweifach geimpft sind.
Diese Phase hat ihre Tücken, wie Berset betonte. «Erfahrungen anderer Länder haben gezeigt, dass die Akzeptanz der Schutzmassnahmen mit zunehmenden Impffortschritt zurückgeht», sagte er. Denkbar seien allenfalls Lockerungen im Gastrobereich und die Umwandlung der Homeoffice-Pflicht in eine Homeoffice-Empfehlung. Offen ist noch das Thema Grossveranstaltungen – laut Berset hat der Bundesrat sich mit dem Thema befasst, Entscheide seien aber noch nicht gefallen.
Covid-Zertifikat im Juni
In dieser Stabilisierungsphase sei es denkbar, etwa Geimpften, Getesteten und Genesenen den Zugang zu Veranstaltungen oder Konzerten zu erlauben, sobald 40-50 Prozent der Bevölkerung ihre Piks erhalten hat. «Das ist keine Diskriminierung», findet Berset.
Dafür zum Einsatz kommen soll ein Covid-Zertifikat, bei dem auch ein negativer Testnachweis hinterlegt werden kann. Der Entscheid über die technische Lösung soll bald fallen, eingeführt wird das Covid-Zertifikat dann im Verlauf des Junis.
Ab August weitgehende Normalität
In die dritte und letzte Öffnungsphase tritt die Schweiz schliesslich ein, wenn alle Impfwilligen ihre zwei Piks erhalten haben. Berset rechnet damit, dass das Ende Juli der Fall sein wird. Ab dann sollen die Massnahmen schrittweise aufgehoben werden.
«Das Virus wird aber weiter zirkulieren», warnt der Gesundheitsminister. Drohe das Gesundheitssystem dann zu überlasten, will der Bundesrat nur Beschränkungen für jene Personen, die sich nicht impfen lassen wollten.
Ob der Zeitplan der Phasen eingehalten werden kann, ist allerdings nicht sicher. Es kommt drauf an, ob genügend Impfstoff tatsächlich in die Schweiz gelangt und dieser dann auch schnell verimpft wird.