Diese Woche begleitete ich Bundesrat Ignazio Cassis auf seiner Reise durch den Nahen und Fernen Osten. Wir besuchten auch zwei der ärmsten Länder.
Der Irak bleibt gezeichnet von Terror und Krieg, von Hass und Zerstörung. Die Wirtschaft ist am Boden, der Staat am Rande des Bankrotts. Sich frei zu bewegen, ist für Besucher viel zu gefährlich.
Der Libanon war einst ein blühendes Land und ist jetzt zugrunde gerichtet. Menschen wühlen in Mülltonnen nach Essbarem. Nahe der Grenze vegetieren 1,5 Millionen Syrien-Flüchtlinge. Wir treffen Kinder, die mit einem Stein Fussball spielen, weil es im ganzen Camp keinen Ball gibt.
Viele unserer Gesprächspartner sagten: «Wir wären glücklich, wenn wir die Probleme der Schweiz hätten!»
Ja, Sorgen sind nun mal subjektiv: Die des Kindes, das seinen Plüschbären nicht findet, sind ebenso gross wie die des US-Präsidenten, der über einen Krieg entscheiden muss.
Trotzdem nehmen manche ihre Alltags-Sörgeli übertrieben ernst: Zug verspätet, zwei Kilo zu viel auf der Waage, das Wetter zu heiss, zu kalt, zu nass, zu trocken, der Nachbar hat den Hundekot wieder nicht weggeräumt …
Leider haben Menschen in unserem Land auch echte Sorgen, gerade in der Pandemie: Manche bekommen weniger Lohn oder haben Angst um ihr Geschäft. Und für junge Leute ist so ein scheinbar verlorenes Jahr besonders bitter.
Das sollte niemand kleinreden, aber wir sollten auch erkennen: Schweizerinnen und Schweizer sind für jede Eventualität abgesichert und können in der Not auf Hilfe zählen – während viele Menschen nicht wissen, wie sie den Tag überstehen.
Deswegen sollten wir uns weder selbstzufrieden zurücklehnen noch ein schlechtes Gewissen haben. Aber werden wir uns zwischendurch wieder bewusst, wie unfassbar privilegiert wir leben.