Drei Jahre und neun Monate Gefängnis unbedingt! Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich gegen Pierin Vincenz (65) fiel bedeutend härter aus als von vielen erwartet. Der langjährige Raiffeisen-Chef wurde in sechs Punkten schuldig gesprochen: Betrug, mehrfache ungetreue Geschäftsbesorgung, versuchter Betrug, passive Privatbestechung, Veruntreuung und Urkundenfälschung.
Der Richter sprach von «hoher krimineller Energie» und kam zum Schluss: «Herr Vincenz hat seine Vertrauensposition als Chef missbraucht.»
Noch nie wurde in der Schweiz ein derart hochkarätiger Manager für vergleichbare Taten verurteilt. Blick-Wirtschaftsredaktor Christian Kolbe (55) versteht das als Signal: «Es gibt keinen Freibrief mehr für geldgierige Chefs», schreibt er in seinem Kommentar.
Das Urteil gibt auch der Öffentlichkeit eine neue Orientierung; allzu oft hatte man den Eindruck, dass man die Kleinen hängt und die Grossen laufen lässt. Nicht zuletzt ist der Richterspruch vom Mittwoch für den Bankenplatz bedeutsam: Der Imageschaden wäre gewaltig, wenn es von Rechts wegen in Ordnung wäre, dass sich ein Chef heimlich an Deals seiner Firma bereichert – ganz zu schweigen von den unfassbaren Spesenexzessen, die beim Prozess zutage traten!
Ob das harte Urteil Bestand haben wird, ist ungewiss. Nicht selten hat ein Bezirksrichter mit einem harten Urteil ein Exempel statuiert (und sich persönlich profiliert). Danach wurde jahrelang durch alle Instanzen weiter prozessiert, das Strafmass von Mal zu Mal abgeschwächt.
Eine Erkenntnis lässt sich bereits heute aus dem Fall Vincenz ziehen: Wie sehr man sich doch in einem Menschen täuschen kann!
Pierin Vincenz war jahrelang der Liebling der Nation und der Medien (zugegeben, auch des Blicks), mal der «Bankier des Volkes», dann der «sympathische Bündner», mal «König Vincenz», dann «Pierin Vincenz Maximus».
Er stilisierte sich als Kontrastprogramm zu den verhassten Boni-Bankern von Marcel Ospel über Lukas Mühlemann bis zu Tidjane Thiam, die Vincenz gern mal als «unanständig» bezeichnete, und von denen er – was für ein Hohn! – «mehr gesellschaftliche Verantwortung» forderte.
Manchmal stellt sich im Leben leider erst viel später heraus, dass die Netten die eigentlichen Bösen sind.