Wirtschafts-Briefing von Nicola Imfeld über ein Jahr Ukraine-Krieg
Was die Börsen voraussehen

Ein Jahr Krieg in Europa. Ein Jahr russischer Angriffskrieg in der Ukraine. Die Wirtschaft und die Börse haben sich daran bereits gewöhnt, sagt Blick-Wirtschaftsredaktor Nicola Imfeld.
Publiziert: 24.02.2023 um 14:18 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2023 um 19:55 Uhr
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Ein Bild für die Ewigkeit: US-Präsident Joe Biden besuchte diese Woche Ukraine-Präsident Selenski in Kiew.
Foto: DUKAS
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Nicola ImfeldTeamlead Wirtschaft-Desk

«Die russische Invasion in der Ukraine beginnt.» Diese Nachricht einer britischen Zeitung auf meinem Smartphone war das Erste, was ich am Morgen des 24. Februar 2022 gesehen habe. Genau ein Jahr ist das her.

Krieg in Europa. Damals unvorstellbar. Heute Realität. Der erste grosse Schock vorbei. Das Entsetzen bleibt. Wir alle leben damit.

Die Wirtschaft lebt damit. 78'000 Ukrainerinnen und Ukrainer sind seit Kriegsbeginn in die Schweiz geflüchtet. Jeder Siebte hat einen Job gefunden. 23 Prozent suchen aktuell eine Arbeitsstelle. Die Arbeitslosenquote im Land liegt derweil bei 2,2 Prozent – beinahe Vollbeschäftigung.

Vitalii Stasiw (31) lebt damit. Er ist im letzten Frühling mit seiner Frau und drei Kindern in die Schweiz geflüchtet. Seine Eltern und Grosseltern sind in der Ukraine geblieben. Täglich ist er in Sorge, checkt die Nachrichten. Bei jedem Raketenangriff auf ihre Stadt greift er zum Telefon. Doch bei Stasiw ist der Alltag in der Schweiz eingekehrt. Er geht zum Deutschkurs und unterrichtet Kampfsport in Zürich.

Die Börse lebt damit. Der Krieg, die Energiekrise und die damit verbundenen Unsicherheiten sind längst in die Aktienkurse eingespeist. Der Fokus gilt aktuell nicht den Kämpfen in der Ukraine, sondern dem Kampf der Nationalbanken gegen die Inflation. Eine Glaskugel haben die Börsianer nicht. Sie rechnen trotzdem mit einem langen Krieg in der Ukraine.

Sogar die Russen leben damit. Die Sanktionen des Westens wirken bislang weniger als erhofft. Die russische Bevölkerung muss den Gürtel dennoch enger schnallen. Die Lebensmittel werden immer teurer. Lohnzahlungen bleiben teilweise aus. Ein Aufstand ist aber nicht in Sicht. Das Volk – gefangen in der Propagandamaschine des Kremls – steht weiter hinter Putin.

Auch Samuel Schumacher lebt damit. Unser Kriegsreporter beim Blick. Mein Sitznachbar im Newsroom. Ein geschätzter Kollege seit bald zehn Jahren. Dreimal war er seit Kriegsbeginn in der Ukraine. Bei einer Reportage an der Front ist er einmal fast von einer Rakete getroffen worden. Wenn er in die Schweiz zurückkehrt, hat er immer viel zu berichten. Seine Erzählungen stimmen nachdenklich.

Ja, das Leben geht weiter. Trotz des Krieges. Samuel Schumacher wird in diesen Tagen und Stunden erstmals Vater. Vitalii Stasiw nimmt für die Schweiz im Frühling an einem internationalen Jiu-Jitsu-Wettkampf teil.

An diesem traurigen Jahrestag bleibt die Einsicht: Es ist Krieg in Europa – und wir leben damit. Was sollen wir auch sonst tun?

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