«Putins geballte Ladung an Lügen ist schockierend»
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Auslandreporter Schumacher:«Putins geballte Ladung an Lügen ist schockierend»

Beunruhigende Ankündigung
Putins böse Märchenstunde

Der Kreml-Herrscher will aus einem wichtigen Atom-Vertrag aussteigen. Ansonsten hielt seine wirre Rede wenig Neues, aber viel Schockierendes bereit. Eine Analyse.
Publiziert: 21.02.2023 um 16:01 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2023 um 17:04 Uhr
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Wladimir Putin (70) trat am Dienstagmittag vor die versammelten russischen Parlamentarier, um seine krude Weltsicht zum x-ten Mal darzulegen.
Foto: AFP
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Man sollte diesem Lügner ja eigentlich gar nicht zuhören. Der Gewinn, den wir aus den Reden von Kreml-Herrscher Wladimir Putin (70) ziehen können, ist derart minim, dass jede Minute Redezeit eine zu viel ist.

Und dennoch ist die Welt gut beraten, den Tiraden des russischen Präsidenten zu lauschen. So obszön das Weltbild ist, das Putin am Dienstagmorgen vor seinem Parlament und Vertretern der russischen Noblesse ausgebreitet hat, so real sind die Bedrohungen, die aus dem wirren Wust an Anschuldigungen und Kraftmeiereien hervorgehen.

Atomwaffenvertrag beendet, psychologische Offensive angekündigt

Vorweg: Viel Neues gab es nicht. Putin will sein Land nicht mehr länger an die Bedingungen knüpfen, die er mit den Amerikanern punkto nuklearer Abrüstung ausgehandelt hat («New Start»-Vertrag). Dabei wäre es illusorisch zu glauben, Moskau hätte je einen Deut auf solche Abmachungen gegeben.

Ansonsten aber: alter Wein in neuen Schläuchen. Der Westen, ein von Pädophilen und Nazis unterwanderter Erdteil, sei schuld am Krieg. Russland verteidige sich bloss – und befreie nebenher die unter dem «Kiewer Regime» leidenden Ukrainer.

Kein Wort verlor Putin über US-Präsident Joe Bidens (80) Besuch in Kiew. Kein Wort verlor er über die massiven personellen Verluste, die seine Armee im Donbass erleidet (zuletzt sprachen ukrainische Quellen von mehr als 1000 gefallenen russischen Soldaten pro Tag). Kein Wort über den aus russischer Sicht schlicht katastrophalen Kriegsverlauf der vergangenen Monate.

Putin steckt fest: militärisch und rhetorisch

Stattdessen sprach Putin über neue Steuererleichterungen für Unternehmen und neue Hilfsprogramme für Hinterbliebene. Jede Familie eines gefallenen Soldaten soll einen persönlichen Sozialarbeiter erhalten. Wäre man zynisch, müsste man sagen: gute Zeiten für Sozialarbeiter in Russland. Sie werden viel zu tun haben in den kommenden Monaten.

Fazit: Putin steckt fest. Militärisch – und offenbar auch rhetorisch. Noch spielt sein Kabinett mit, noch gibt es Standing Ovations für seine kruden Theorien. Hat sich die zweite Reihe der russischen Führung aber auch nur einen Funken Verstand bewahrt, dann dürfte Putins verlogene Schattenwelt bald zusammenbrechen.

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