Professor Mesot über die Geschichte der mRNA-Methode
Wo Zukunft entsteht

Joël Mesot ist Präsident der ETH. Der erste Romand in diesem Amt seit über 100 Jahren. In dieser Kolumne widmet er sich der mRNA-Methode und dem PCR-Test.
Publiziert: 14.07.2021 um 09:26 Uhr
Joël Mesot, Präsident der ETH.
Foto: ETH Zürich / Markus Bertschi
Joël Mesot

Nach Monaten der Pandemie sind uns sperrige Begriffe wie PCR-Test oder mRNA geläufig. Rund 35 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind aktuell zweimal gegen Covid-19 geimpft. Es müssen deutlich mehr sein, wenn wir das Risiko einer erneuten Infektionswelle klein halten wollen. Es dauerte weniger als ein Jahr, bis Wissenschaft und Industrie einen hochwirksamen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt hatten. Eine Leistung, die wir nicht hoch genug einschätzen können.

Zwei Biotech-Firmen stehen exemplarisch für die Impf-Offensive: Moderna und Biontech. Beide sind aus einem universitären Umfeld entstanden: Die Gründer von Moderna sind mit der Harvard-Universität und dem MIT verbunden, das Gründerpaar von Biontech mit der Universität Mainz. Beide Firmen entwickeln ihre Impfstoffe auf Basis der mRNA-Technologie. Mit dieser Methode macht man sich zunutze, dass unsere körpereigene Proteinherstellung gemäss einem RNA-Bauplan abläuft. Die mRNA-Impfstoffe enthalten einen Bauplan für ein Protein auf der Oberfläche des Virus. Dieses Protein wird dann in den Zellen produziert, was eine Immunantwort hervorruft. Unser körpereigenes Abwehrsystem wird so in die Lage versetzt, Sars-CoV-2 zu erkennen und zu bekämpfen.

Die mRNA-Technologie beider Firmen basiert auf Forschung, welche die Biochemikerin Katalin Kariko Anfang der 1990er-Jahre an der Universität von Pennsylvania betrieb, zusammen mit dem Immunologen Drew Weissman. Bevor die beiden den experimentellen Beweis für ihre Theorie im lebenden Organismus erbringen konnten, hatten sie etliche Hürden zu überspringen. Kariko erhielt für ihre Forschung kaum noch Geld, und es ist einzig ihrer Beharrlichkeit zu verdanken, dass sie nicht aufgab. Heute wird die aus Ungarn stammende Wissenschaftlerin als Anwärterin für einen nächsten Nobelpreis gehandelt.

Zur Diagnose von Covid-19 greifen wir auf PCR-Tests zurück. Diese sind der Goldstandard für die Untersuchung des Erbguts. Der Test beruht auf der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion, bei der das Erbmaterial des Virus vervielfältigt wird. Etwas zugespitzt könnte man sagen, dass der PCR-Test seinen Ursprung in den «hot springs» des Yellowstone-Nationalparks hat. Dort suchte der Mikrobiologe Thomas Brock in den 1960er-Jahren nach speziellen Organismen, die selbst in heissen Thermalquellen überleben. Einem besonders zähen Bakterium gab er den Namen Thermus aquaticus. Ein daraus isoliertes Enzym ermöglicht heute das Kopieren des Erbguts im PCR-Test. Der Test selber wurde in den 1980er-Jahren entwickelt und hat den Erfindern – den Wissenschaftlern Kary Mullis und Michael Smith – einen Nobelpreis eingetragen.

Bis Erkenntnisse aus der Forschung in eine Anwendung fliessen, kann es lange gehen. Und der Weg dorthin ist voller Risiken. Aber wie die Geschichten um die mRNA-Methode und den PCR-Test belegen, stehen am Anfang der Fortschritte in der Medizin und Diagnostik oft kluge Köpfe, die beharrlich an einer Sache forschen. Universitäten sind privilegierte Orte, um solchen Menschen den Freiraum dafür zu geben. Damit werden sie zu Orten, wo Zukunft entsteht.

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