Über das Wetter zu reden ist so ungefähr der sinnloseste Zeitvertreib, den man sich denken kann. Das Wetter muss man hinnehmen, nicht diskutieren. Es kümmert sich nicht um Meinungen, es ist einfach. Wenn man allerdings die Klimakatastrophe berücksichtigt – und wie könnte man das nicht tun? –, dann gibt es natürlich kein bedeutsameres Thema als das Wetter in all seinen Auswirkungen und Extremen. Trotzdem irritiert es mich, wenn mich Freunde fragen, welche Temperaturen sie zur Zeit ihres Besuchs bei mir erwarten können und was sie einpacken sollen. «Alles», sage ich dann kurz angebunden. In San Francisco muss man sich auf alles gefasst machen. Das gilt nicht nur, aber auch fürs Wetter. Es stimmt nicht, dass wir hier keine Jahreszeiten haben. In San Francisco haben wir oft drei Jahreszeiten an einem Tag: alle ausser dem tiefsten Winter nämlich.
Ich habe mich an meinem Geburtstag im Juli schon im dicksten Nebel verirrt, schlotternd in Faserpelz und Daunenjacke. Dafür bin ich Ende Dezember schon im Badeanzug am Strand gelegen. Mit verlässlichen Vorhersagen kann ich deshalb genauso wenig dienen wie die gängigen wetterrelevanten Medien, Apps und Suchfunktionen. Etwas anderes ist es natürlich, wenn meine Kinder ihren Besuch ankünden. Wie dieses Jahr, als mein älterer Sohn und seine Freundin beschlossen, die Feiertage bei uns zu verbringen. Sofort war meine gelassene, auf alles gefasste, quasi buddhistische kalifornische Grundhaltung vergessen, und ich mutierte zum wetterbesessenen Muttertier. Ich versprach ihnen das Unmögliche, dass sie draussen frühstücken und bei uns auf dem Dach auf den Sonnenuntergang anstossen könnten. Und die Mäntel sollten sie getrost zu Hause lassen. Zum Glück glaubte mir mein Sohn, der ja auch acht Jahre seines Lebens hier verbracht hat und das launische nordkalifornische Wetter kennt, kein Wort.
Doch auf diesen Regen war niemand von uns gefasst. Oder darauf, dass wir eines Nachmittags einen kleinen See in ihrem Gästezimmer vorfinden und die nächsten Stunden mit Putzlappen, Kübeln und Blachen zubringen würden. Ich rang die Hände und entschuldigte mich ununterbrochen, was natürlich absurd war. Ich hatte ja das Wetter nicht verursacht. Oder doch? Immerhin trägt meine Generation einen Grossteil der Verantwortung für die Klimakatastrophe mit all ihren Folgen wie unberechenbaren und extremen Wetterbedingungen.
Der atmosphärische Fluss zog vorüber, doch schon bildete sich der nächste am Horizont. Und irgendwann entspannten wir uns, oder eher: Wir ergaben uns. Wir erinnerten uns daran, dass die einzige vernünftige Reaktion auf jede Art von Wetter ist, es hinzunehmen. Und nicht zu diskutieren.
Ich sitze auf dem Sofa in der Stube und höre den Regen gegen die Fensterscheiben trommeln. Der Weg durch den Garten zu meinem Schreibhäuschen ist im Moment nicht passierbar, ausser vielleicht mit dem Schlauchboot. Das Telefon klingelt, Treffen und Termine werden abgesagt. «Ja klar, bei dem Wetter ...» Ganz langsam fange ich an, diesen Ausnahmezustand zu geniessen. Es ist, als ob diese stillen Tage zwischen Tagen noch andauern würden, diese Tage des Nichtstuns, des Nichtsmüssens. Als ob das neue Jahr noch gar nicht wirklich begonnen hätte. Mit all seinen Forderungen und Wünschen, seinen Ansprüchen und Vorstellungen. Es wird uns früh genug einholen.