Kolumne «Wild im Herzen»
Der Penisfisch

Man muss sich nicht unbedingt Horrorfilme anschauen, um sich vor furchterregenden Tieren zu gruseln. Eine Begegnung mit dem Penis- oder Vampirfisch tut es auch.
Publiziert: 27.08.2020 um 23:11 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2020 um 20:45 Uhr
Simon Jäggi, Mitarbeiter Naturhistorisches Museum Bern.
Foto: Thomas Buchwalder
Simon Jäggi

Angefangen hat es mit dem furchterregenden Hund von Baskerville. Prägend war Alfred Hitchcocks Filmklassiker «Die Vögel», in dem Krähen die Menschen attackieren. Und auch «Der weisse Hai» von Steven Spielberg hat Generationen von Menschen beeinflusst, als sie im Meer ein Bad nahmen.

Tiere sind beliebte Motive in Horrorfilmen. Es gibt sie mit Spinnen, Schlangen, Riesenwürmern, Ameisen, Piranhas, Haien, Alligatoren, Bienen, Fledermäusen oder Monsterkraken. Da der Filmindustrie allmählich die Ideen für schauerliche Tiere ausgehen, beginnen die Drehbuchautoren nun, Arten zu vermischen und gegeneinander antreten zu lassen, wie etwa im B-Movie «Mega Shark vs. Crocosaurus».

Klein, aber gemein

Dabei hätte die Natur eigentlich noch so viele Tiere zu bieten, die unsere tiefsten Ängste hervorkitzeln könnten. Zum Beispiel den Candirù. Ein bloss wenige Zentimeter grosser Wels, der im Amazonas- und Orinokobecken beheimatet ist.

Besonders ist sein Körperbau. Der Fisch ähnelt einem Wurm. Der vordere Teil des Körpers ist schmaler. Und er besitzt krallenartige Zähne. Candirù darf sich nämlich Parasit nennen.

Er wartet im seichten Wasser, bis grössere Fische vorbeischwimmen. Fische stossen den Urin über die Kiemen aus – über diesen Harn ortet der Wels seine Opfer und schwimmt in ihre Kiemen. Dank den Stacheln an seinem Kopf kann er die Kiemen hochklettern und beisst sich dort in die Arterie, um eine halbe bis zwei Minuten lang Blut abzuzapfen. «Brasilianischer Vampirfisch» ist daher auch einer seiner Übernamen.

Darum heisst er so …

So unscheinbar das kleine Welslein, so schillernd sein Ruf. Vandellia cirrhosa wird nämlich auch Penisfisch oder Harnröhrenwels genannt. Der Name rührt daher, dass der Fisch Männern in den Penis eindringen soll und operativ entfernt werden muss. Der Fisch soll auch durch menschlichen Urin angezogen werden. Indios tragen Penisschnüre, die sie beim Baden davor schützen sollen, dass ihnen ein Wels in die Harnröhre schwimmt.

Wie viele der Geschichten über den Penisfisch tatsächlich stimmen, ist aber ziemlich unsicher. Neuere Fälle sind keine dokumentiert, die furchterregenden Fallberichte stammen allesamt aus dem 19. Jahrhundert. Aber zoologische Fakten haben die Macher von Tierhorrorfilmen ohnehin nie sonderlich interessiert.

Simon Jäggi (40) ist Sänger der Rockband Kummerbuben und arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.

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