Dies ist meine erste Kolumne über ein Tier, das es gar nicht gibt. Bei der Lachsforelle handelt es sich nämlich um keine Tierart, sondern um ein Produkt. Was im Laden als Lachsforelle verkauft wird, ist in Tat und Wahrheit eine Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss). Die Lachsforelle ist ein für den Markt designtes Tier, das lachsfarbene und etwas fettere Filets aufweist. Das Fleisch der Regenbogenforelle ist von Natur aus nämlich blasser.
Was die Regenbogen- zu einer Lachsforelle macht, ist das Futter. Die Fischzüchter mischen diesem Carotinoide bei. Diese Futterzusätze sind zwar aus natürlichen Stoffen (Algen) hergestellt und werden in kleineren Mengen auch benötigt, erzeugen in rauen Mengen aber eine unnatürliche Färbung des Fleisches.
Fragwürdiger 21-Kilo-Rekord
Typisch für das Produkt Lachsforelle ist auch seine Grösse: Lachsforellen werden meist erst mit 1,5 Kilo Lebendgewicht geschlachtet, damit sie den Lachsen noch etwas mehr ähneln. Damit die Fische schneller wachsen, werden manchmal auch triploidisierte Eier verwendet. Bei diesem Verfahren werden die Eier nach der Besamung unter unheimlichen Druck gesetzt, was die Fische – einfach gesagt – geschlechtslos macht. Geschlechtslose Fische wachsen schneller, da sie keine Energie in die Fortpflanzung stecken müssen, etwa um im Körper Eier zu entwickeln.
Genetisch veränderte Forellen können in weniger als drei Jahren acht Kilo schwer werden. Und da sie nie geschlechtsreif werden, wachsen sie unaufhörlich weiter. In den USA sind triploide Fische aus Zuchten ausgebüxt und wurden von Hobbyanglern gefangen. Ein Exemplar wog über 21 Kilo – aktueller Weltrekord der schwersten Regenbogenforelle, die in der Natur gefangen wurde. Ein zweifelhafter Rekord.
Ernüchterte Bio-Fischzüchter
Geschlechtslose, designte Fische? Finden Sie das etwas verstörend? Einmal mehr wäre es zu einfach, mit dem Finger auf Grossverteiler und Produzenten zu zeigen. Vor einigen Jahren diskutierten Bio-Fischzüchter, ob sie die Futterzusätze auf ein natürliches Mass herunterschrauben sollten. Ihr ernüchterndes Fazit: Die Konsumentinnen und Konsumenten würden Lachsforelle nicht mehr kaufen, wenn sie nicht roséfarben wäre.
Der Fake ist den Konsumentinnen und Konsumenten offenkundig lieber als die Natürlichkeit.
Simon Jäggi (40) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.