Paris, Nizza, Wien: In den letzten Wochen haben Muslime wieder unschuldige Frauen und Männer aufgeschlitzt, geköpft, erschossen. Seit Jahrzehnten leben wir mit diesem Horror. Seit Jahrzehnten wird Islam-Kritik gleichgesetzt mit Kritik an allen Muslimen. Seit Jahrzehnten ist es heikel, öffentlich klarzustellen: Hier wird nicht gemordet für Buddha, Jesus oder Karl Marx, sondern für Mohammed und Allah. Hier steuert man nicht Flugzeuge in Hochhäuser, Lastwagen in Menschenmengen, weil ein paar Gestörte den Islam falsch verstehen. Hier werden nicht Flughafenhallen gesprengt und Maschinenpistolen-Massaker in der Disco verübt, weil man eine sozialistische oder jüdische Weltherrschaft anstrebt, sondern eine islamische.
Der Hass auf emanzipierte Frauen, auf Christen, Juden, Ungläubige? Gehört das nicht zum Islam, sondern zum «Islamismus»?
Warum Aufklärung wichtig ist
Eines ist klar: Wir wollen keine Debatte über das Verhältnis Mohammeds zur Gewalt. Wir wollen nicht fragen: Lehnt er sie ab? Lässt sich mit Mohammed oder dem Koran eine Trennung von Staat und Religion begründen, eine freiheitliche Gesellschaft? Meinungsfreiheit? Die Freiheit, seine Religion zu wechseln?
Nein, dazu wird es keine Talkshows geben. Die gibt es, wenn Rassisten oder Rechtsradikale töten. Dann wird aufgeklärt. Wie bei früheren Formen des Terrors, etwa während des Nordirlandkonflikts 1969–1998. Damals hat man die religiös-politischen Hintergründe ausgeleuchtet, über die englisch-schottischen Protestanten und die irisch-nationalistischen Katholiken. Auch bei der RAF in den 1970er-Jahren haben Regierung und Medien die Ideologie ausführlich thematisiert (Antiimperialismus, Kommunismus). Man wusste: Ohne Aufklärung treiben Ideologien giftige Blüten, besonders bei jungen Menschen. Warum soll das beim Terror aus dem Islam anders sein?
Wollen friedliche Muslime das?
Wollen wir das Gewaltproblem um jeden Preis loslösen von Mohammed und dem Koran, um friedliche Muslime vor Diskriminierung zu schützen? Aber wollen diese Muslime wirklich, dass wir nicht aufklären? Dass wir nicht über die geistigen Wurzeln der Gewalt sprechen? So oder so: Der Terror geht weiter. Unsere Politik ist dabei keine Hilfe. Oder mit den Worten des Islamkritikers Hamed Abdel Samad: «Eine Stadt, die die Hasspredigten der Salafisten duldet, aber keine kritischen Thesen zum Islam, gibt sich selbst auf. Ein Land, das Islamkritik abwürgt, aus Angst vor Islamisten oder Rechten, kniet sowohl vor Islamisten wie vor Rechtsradikalen.»
Giuseppe Gracia (53) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Sein neuer Roman «Der letzte Feind» ist erschienen im Fontis Verlag, Basel. In der BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.