Kolumne «Meine Generation» über Gleichstellung
Reden wir über Feminismus!

Wer hat Angst vor Feministinnen? Viele. Da hilft vielleicht ein bisschen Aufklärung über die verschiedenen Strömungen – die sich zum Teil selber im Weg stehen.
Publiziert: 07.10.2022 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2022 um 21:08 Uhr
Am 14. Juni trafen sich Frauen zum Feministischen Streiktag auf dem Bundesplatz.
Foto: keystone-sda.ch
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Noa DibbaseyKolumnistin

Die AHV-Reform wurde also angenommen. Ein grosser Schritt für die Gleichberechtigung in der Schweiz, heisst es aus dem Ja-Lager. So komisch! Ich dachte, die Feministinnen befänden sich auf der Gegenseite. Aber es scheint so, dass Gleichstellung (plötzlich) ein Anliegen aller Schweizerinnen und Schweizer ist.

Na, wenn das so ist: Let's talk about feminism! In meinem Umfeld ist Feministin oder Feminist zu sein etwa so salonfähig, wie den Kaffee mit Hafer- statt Kuhmilch zu trinken. Uns geht es dabei eben genau um diese Gleichstellung, aber auch um Menschenwürde und Selbstbestimmung aller Geschlechter – und trotzdem sträuben sich genau viele jener, die ein Ja in die Urne gelegt haben, vehement gegen den Feminismusbegriff.

Denken sie, Frauen wollen unter dem feministischen Deckmäntelchen die Weltvorherrschaft (oder -frauschaft) ergaunern? Das ist doch von vorgestern. Die Bewegung ist mittlerweile so gross, dass sich unzählige Strömungen daraus entwickelt haben – da findet jede Person ihr Plätzchen. Ich stelle Ihnen eine kleine Auswahl dieser Diversität vor.

Vom Mainstream- bis zum Girl-Boss-Feminismus

Beginnen wir klassisch: mit dem Mainstream-Feminismus. Er beschäftigt sich mit wichtigen und breit anerkannten Problemen wie sexueller Diskriminierung (#MeToo) oder Lohnungleichheit – möchte aber nicht gleich das System kippen. Perfekt für Trendhopper und Angepasste.

Zieht es einem den Ärmel so richtig rein, landen wir schnell bei radikaleren Bewegungen, die das Patriarchat stürzen wollen. Schliesslich bringen gleiche Rechte nicht viel, wenn die verschiedenen Geschlechter weiter ungleich erzogen werden und stereotypische Verhaltensmuster über Generationen weitergegeben werden.

Dann gibts die intersektionellen Feministinnen: auch radikal, doch sind sie sich zudem bewusst, dass nicht nur Geschlecht, sondern auch ganz viele andere Faktoren zu Diskriminierung führen. Ziemlich konträr dazu steht der neoliberale Girl-Boss-Feminismus. Frauen können alles schaffen, solange sie nur wollen, und am allerbesten werden sie CEO.

Zumindest solidarisch sein

Die Auswahl an Feminismen ist riesig, und es gibt noch viele mehr. So wichtig diese Diversität ist, bringt sie auch Probleme mit sich. Oft stehen sich die Strömungen gegenseitig im Weg, leisten doppelte Arbeit und verlieren das gemeinsame Ziel aus den Augen: die Gesellschaft zu einem unterdrückungsfreieren Ort für alle zu machen.

Gerade mit Blick auf die Geschehnisse im Iran schwindet die Zuversicht auf einen solchen Ort weiter. Nach dem Gleichstellungsgeschrei am Abstimmungssonntag hoffe ich aber zumindest, dass Solidarität mit den Frauen im Iran und auch denen im eigenen Umfeld selbstverständlich ist.

Noa Dibbasey (21) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.

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