Kolumne «Meine Generation» über das Diktat der Schönheitsideale
Wuchernde Haare, wuchernde Preise

Sei du selbst! Das Motto vieler Junger klingt gut – bloss ist es so vertrackt, danach zu leben. Schon nur der Blick unter die Achseln zeigt, dass Wunsch und Wirklichkeit kein Traumpaar sind.
Publiziert: 01.07.2022 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2022 um 10:49 Uhr
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Noa DibbaseyKolumnistin

Ich habe gemerkt, dass es keine Möglichkeit gibt, einen Text zum Thema Sommer nicht klischeehaft oder abgestanden oder einfach ultra nervig zu beginnen. Ich meine: Sommer, Sonne, Strand – wie sehr würden Sie mich für diese Einleitung belächeln?

Weil meine Generation nicht mehr so auf Alliterationen abfährt, lautet der «Sommer ist mega toll»-Ausdruck meiner Freundinnen zurzeit: Hot Girl Summer!

In den (leicht abgewandelten) Worten der Rapperin Meghan Thee Stallion, die den Begriff geprägt hat, bedeutet das: «Ein Hot Girl ist ohne Einschränkungen sich selbst, hat Spass und lebt ihre eigene Wahrheit.» Im Sommer gilt das alles wohl besonders.

Zu gross, zu klein oder einfach eklig

Sie sind schön, diese Vorsätze für die heisseste Zeit des Jahres. Aber Sie kennen den Haken an Vorsätzen – der innere Schweinehund besiegt sie immer. Der Unterschied hier: Das Fantasietierli haust nicht in uns drin. Es ist die Gesellschaft, die uns den Hot Girl Summer schnell mal vermiest.

Es ist nämlich schwer, «ohne Einschränkungen sich selbst zu sein», wenn dir von klein an auf allen möglichen Kanälen klargemacht wird, dass so ziemlich alles an deinem Körper falsch ist. Zu gross, zu klein, zu behaart, nicht attraktiv (und wenn du nicht fuckable bist, kannst du es eh vergessen) bis hin zu eklig. MfG – die multimilliardenschwere Beauty-Industrie.

Nehmen wir das im Sommer sehr präsente Beispiel der Körperbehaarung: Meine Generation ist in dem Glauben aufgewachsen, jedes noch so kleine Haar unterhalb der Augenbrauen müsse entfernt werden. Irgendjemand hat anscheinend Anfang der Nullerjahre Körperbehaarung als absolut unweiblich deklariert.

Drei Jahre Leiden unter den Achseln

Es gibt natürlich viele gute Gründe, sich an gewissen Stellen zu enthaaren. Ich aber habe mich vor den Ferien aus einem ziemlich bescheuerten Grund ins Waxing-Studio geschleppt: Ich wollte dem aktuellen Beautystandard entsprechen. Der lautet ungefähr: Bemühe dich um den Körper eines fünfjährigen Mädchens, einfach mit grossem, grossem Busen und fettem, fettem Hintern. Und lass dafür möglichst viel, viel Geld liegen.

Dank viel Aktivismus wie etwa der Bodypositivity-Bewegung kommen wir diesem riesigen Bodyshame-Stunt zwar langsam auf die Schliche. Aber tief sitzende Normen zu bekämpfen, bedarf extrem viel Energie und erzeugt noch immer sehr viel Gegenwind – gerade im Sommer. Eine Freundin erzählte mir, dass es sie drei Jahre kostete, bis sie sich mit unrasierten Achseln wohlfühlte.

Immerhin beobachte ich in meinem Umfeld und bei mir selbst ein wachsendes Bewusstsein dafür. Ich hoffe darum, dass es uns diesen Sommer schon ein bisschen besser gelingt. Ich hoffe, diesen Sommer fühlt sich jedes Girl, jeder Boy und alle dazwischen mal hot. Und dies nicht nur wegen der Temperaturen!

Noa Dibbasey (21) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.

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