Anfang Mai hat die WHO offiziell den Corona-Gesundheitsnotstand aufgehoben. Und obwohl das Leben schon seit einiger Zeit nicht mehr nach Pandemie riecht – vielleicht weil die Maskenpflicht bereits eine Weile her ist – markiert dieser Beschluss den perfekten Zeitpunkt für eine Abrechnung.
Dass es absolut richtig war, vulnerable Personen zu schützen, ist klar. Dass wir unterdessen alle die eine oder andere kleine Macke aus der Corona-Zeit davontragen, ist ebenso klar. Die einen wagen es nicht mehr, vorne im Bus einzusteigen, bei anderen verkümmert der Sauerteig seit zwei Jahren im Kühlschrank, oder sie sind seit dem Lockdown süchtig nach einem blöden Handyspiel.
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Viele Prophezeiungen aus der Zeit haben sich nicht bestätigt. So widerlegt der sich anbahnende Festivalsommer, an dem wohl so viele Menschen wie noch nie vor Konzertbühnen tanzen und rumknutschen werden, die Vorhersage, dass Körperkontakt der Vergangenheit angehört und alle für immer mit Maske herumrennen werden.
Was sich aber definitiv verändert hat, ist die ganze Sache mit dem Homeoffice. Fast alle Büroangestellten haben den Remote-Virus und arbeiten seit der Pandemie ab und an von zu Hause aus. Meine Generation ist aber definitiv die Meisterin im «von überall arbeiten».
Pünktlich zum Uni-Semesterende lässt sich bestätigen: Es gab kaum eine Woche, in der ich jede meiner Veranstaltungen besucht habe. Warum auch? Ich konnte mir die Vorlesung schliesslich später in zweifacher Geschwindigkeit reinziehen und währenddessen Margaritas in Amsterdam schlürfen. Ich übertreibe.
Und irgendwie auch nicht. Wird ein Kurs nicht auch online durchgeführt, protestieren einige meiner Mitstudierenden lauthals. Flexible Arbeitszeiten sind Pflicht, sonst überlegt man sich das mit dem Jobangebot zweimal, und alle Arbeitsmaterialien müssen in irgendeine Cloud geladen sein – mit Papier kommen wir echt nicht mehr klar.
Nennen Sie es verwöhnt, ich nenne es Corona-Nachwehe. Klar, Spontanität und Unabhängigkeit waren für Junge schon immer wichtig. Meine Generation aber wurde dazu gezwungen. Sie müssen bedenken: Als die Pandemie begann, standen wir kurz vor unserem Abschluss oder haben gerade die ersten Schritte in die Arbeitswelt gewagt. Und dann plötzlich: komplettes Chaos. Von uns wurde Flexibilität und (Selbst-)Verantwortung gefordert. Die Welt da draussen kennen wir nicht anders. Wir sind nicht die Generation Z, wir sind die Generation C.
Noa Dibbasey (22) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.