Kolumne «Alles wird gut» über den Kampf um Identitäten
Ich fühle, also habe ich recht

Die Rechten haben die Nase voll von zu vielen Ausländern, zu vielen Andersartigen, zu vielen Frauen. Die Linken können nicht zu viel kriegen von Diskriminierungs-Empörung, Identitätswahrheit, Gendergerechtigkeit. Kann es sein, dass es da Gemeinsamkeiten gibt?
Publiziert: 22.03.2021 um 06:17 Uhr
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Aktualisiert: 18.04.2021 um 15:12 Uhr
Ursula von Arx, Autorin.
Foto: Thomas Buchwalder
Ursula von Arx

Schon früher wurden Trommelfelle und Gehörgänge mit dem Wort «Identität» bestürmt. Menschen haben zu ihrer Verteidigung herumgeschrien und gejammert, geknurrt und gebellt und fielen später im Namen ihrer nationalen, religiösen oder ethnischen Identitäten übereinander her wie rasend gewordene Hunde.

Und heute? Ist wieder viel von «Identität» und «Identitätspolitik» die Rede. Es geht um Status und Anerkennung, vor allem aber geht es um Gefühle, vor allem um gekränkte Gefühle.

Die einen, die Rechten, sprechen den gekränkten weissen Mann an, der sich sozial und wirtschaftlich abgehängt oder auch nur nicht mehr als Herr im eigenen Haus fühlt. Zu viele Schwarze, Burkas, Deutsche überall, zu viele Frauen, Schwuchteln und Schwierige, die weder Mann noch Frau sein wollen.

Genau für diese Gruppen und Grüppchen, die für die einen eine Zumutung sind, legen sich die anderen, die Linken, mit ihrer Identitätspolitik ins Zeug.

Wehe, einer bleibt ohne Stimme! Jedes sich diskriminiert fühlende Wesen soll in seiner Wesenheit respektiert, repräsentiert und in seinem Schmerz gehört werden.

Antiaufklärerisch und unreflektiert

Und wo die manipulierten Gefühle der einen in Ablehnung und Hass umschlagen, da können die Gefühle der anderen in eine manipulative Empfindsamkeit kippen. Die Opfer richten sich in ihrem Opferstatus ein und erhorchen mit spitzen Ohren Beleidigungen.

Und wo ein Gefühl der Kränkung aufsteigt oder auch nur behauptet wird, da muss auch eine Kränkung sein. «Wenn Aussagen von vielen Menschen als beleidigend und rassistisch empfunden werden, dann waren sie es auch», entschuldigte sich der Radiosender Bayern 3 bei erbosten Hörern, die einen Moderator des Rassismus beschuldigten. «Wenn junge Frauen das als sexistisch empfinden, muss man das ernst nehmen, selbst wenn man es nicht so sieht», so eine Tamedia-Redaktorin bezüglich der Sexismus-Anschuldigungen in ihrem Medienkonzern.

Dass die schiere Empfindung eines Tatbestandes heute als Tatbeweis gilt, hinterlässt einen ebenso antiaufklärerischen Geschmack wie die unreflektierten Ressentiments von Rassisten und Sexisten. Die Phänomene gehören zusammen, verstärken einander – und können wohl nur gemeinsam überwunden werden. Alles wird gut.

Ursula von Arx wundert sich, dass heute unveränderbare Merkmale wie Hautfarbe, Geschlecht und andere körperliche Eigenheiten so wichtig geworden sind für die sogenannte Identität. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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