Kolumne «Abgeklärt & aufgeklärt» über Büezer, die ihr Land nicht mehr verstehen
Land der KMU – Land der Wirtschaftsfeinde?

In der Schweiz breitet sich ein neues Syndrom aus: Wirtschaftsfeindlichkeit. Und zwar nicht nur unter Linken, sondern auch unter normalen Angestellten, unter Büezern. Die «Too big to fail»-Manager untergraben das Vertrauen in die Marktwirtschaft.
Publiziert: 19.09.2022 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2022 um 08:55 Uhr
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2008 wurde die UBS vom Steuerzahler gerettet.
Foto: Keystone
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René ScheuPhilosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP)

Die Schweiz – das Land der Chrampfer, das Land der KMU! Über 99 Prozent aller privatwirtschaftlichen Akteure sind Firmen mit weniger als 250 Angestellten. Zwei Drittel der Leute, die in Brot und Arbeit stehen, arbeiten für sie. Je kleiner die Firma, desto härter segelt sie im Wind: Die Mitarbeiter sitzen nicht nur vor flimmernden Bildschirmen, sondern spüren die Kunden, den Markt, das tägliche wirtschaftliche Ringen. Deshalb haben sie sich auch einen Sinn für ökonomische Zusammenhänge und einen klaren Blick auf die Lebensrealität bewahrt.

Aber viele dieser Leute – das weiss ich als Gewerblersohn aus eigener Erfahrung – verstehen die Schweiz nicht mehr. Im Jahr 2008 wurde die UBS vom Bund gerettet, weil sie (angeblich) «too big to fail» war. Und auch wenn die Rettungsaktion zuletzt ein lukratives Geschäft für die Eidgenossenschaft wurde, so ist doch etwas anderes in den meisten Köpfen haften geblieben – zu Recht: Dieselben Manager, die vor der Krise Millionensaläre und stolze Boni kassierten, profitierten zugleich von Garantien der Steuerzahler.

Abzocker sind das Gegenteil von Marktwirtschaft

Seither macht die Rede von den Abzockern die Runde. Abzocker sind höhere Angestellte, die mit dem Geld anderer Leute spielen. Gelingt die Aktion, profitieren sie. Misslingt sie, werden sie gerettet. Kosten sozialisieren, Gewinne privatisieren: Das ist das Gegenteil von Marktwirtschaft.

Die Chrampfer haben diesen Zusammenhang begriffen. Und deshalb haben sie begonnen, ein in der Eidgenossenschaft neues Syndrom zu entwickeln: Wirtschaftsfeindlichkeit. Nicht weil sie der Marktwirtschaft misstrauten. Nein, weil sie den Leuten in Management, Verwaltung und Politik, die die Marktwirtschaft auszuhebeln trachten, nicht über den Weg trauen.

Und nun wiederholt sich das Muster – mit dem Energieriesen Axpo. Ebenfalls (angeblich) «too big to fail». Und das just in dem Moment, da die Strommangellage droht und die eigenen Stromrechnungen explodieren. Wenn Bundesräte diesmal spitzfindig argumentieren, es gehe ja bloss um Garantien des Bundes, verschleiern sie den wesentlichen Befund: Spitzenmanager werden von Amtes wegen abgesichert.

Das Volk schmerzts – was hilft?

Doch erstens: Wenn sie aufziehende Wolken am Markthimmel nicht erkennen, warum braucht es dann hoch qualifizierte Manager mit ebenso hohen Löhnen? Und wenn sich die Wolken nicht erkennen lassen, warum braucht es sie dann?

Das Volk ist genervt. Die neue Wirtschaftsfeindlichkeit wächst. Die Bürgerlichen lavieren. Die Marktwirtschaft erodiert. Die Etatisten jubilieren. Das Volk schmerzts. Dagegen hilft nur eins: mehr Ehrlichkeit der Wirtschafts- und Staatseliten.

René Scheu ist Philosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. Er schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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